Karl Friedrich Schinkel, Architekt im Berlin Humboldts

Schinkels Wahlspruch (von ihm selbst für seine Familie aufgesetzt) „Unser Geist ist nicht frei, wenn er nicht Herr seiner Vorstellungen ist; dagegen erscheint die Freiheit des Geistes bei jeder Selbstüberwindung, bei jedem Widerstande gegen äußere Lockung, bei jeder Pflichterfüllung, bei jedem Streben nach dem Besseren und bei jeder Wegräumung eines Hindernisses zu diesem Zweck. Jeder freie Moment ist ein seliger.“

Zum „Preußenjahr 2001“

Das sog. „Preußenjahr 2001“, in dem sich zum 300. Mal die Krönung des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg zu Friedrich I., König in Preußen jährt, sollte kein Anlaß sein, auf dem üblichen militaristischen Schreckgespenst herumzureiten, sondern das positive preußische Erbe für die deutsche Entwicklung zu betonen. Nur so kann man aus „der Geschichte lernen“. Ein wichtiger Name in diesem positiven preußischen Erbe ist der Architekt Karl Friedrich Schinkel, einer der einflußreichen und identitätsstiftenden Persönlichkeiten Preußens. Der begabte Baumeister und Städteplaner repräsentiert ein am Leibnizschen Denken orientiertes kameralistisches Netzwerk der damaligen politischen, aber auch künstlerischen und wissenschaftlichen Welt, zu dem die preußischen Reformer ebenso zählen wie die Architekten- und Bildhauerschule David und Friedrich Gillys, Schadows, Rauchs und Friedrich Tiecks sowie natürlich die Repräsentanten der am klassischen Menschenbild orientierten Bildung Winckelmann, Mendelssohn und Lessing, Schiller und Goethe, Alexander und Wilhelm von Humboldt.

Karl Friedrich Schinkel (1781–1841)

Schinkel stand nicht nur mit den meisten genannten Personen in engem persönlichen und freundschaftlichen Verhältnis, sondern überhaupt mit den herausragenden Persönlichkeiten seiner Zeit, die durch ihre einmalige Konstellation und Dichte in der Geistes- und Naturwissenschaft zu den Höhepunkten deutscher Geschichte zählt.

Die Bauakademie mit dem Schinkelplatz, auf dem die Denkmäler von Schinkel, Thaer und Beuth standen. Aufgenommen 1888.

Die Wiedervereinigung Deutschlands 1990, die alle Chancen nicht nur für einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufbau bot, hätte auch in der Hauptstadt Berlin eine Wende in der städtebaulichen Entwicklung herbeiführen können, wobei man in Ermangelung eigener Ideen einfach auf Schinkels umfassende Pläne von 1817 als Vorgabe für die Rekonstruktion des alten Berliner Stadtzentrums hätte zurückgreifen können. Aber das bewußte Zerreden und endlose Gezerre um einen historisch getreuen Wiederaufbau (Museumsinsel, Stadtschloß bzw. die gesamte Berliner Mitte) verdeutlichte, daß eine Wiederherstellung im Sinne des Schinkelschen Stadtbildes politisch gar nicht gewollt war. Zu diesem lähmenden Zustand kommen heute noch die technisch-künstlerische Herausforderung für ein solches Unterfangen sowie der finanzielle Bankrott der Stadt hinzu, wofür der Skandal um die Berliner Bankgesellschaft mehr als bezeichnend ist.

Schinkel hatte den Architekten noch als „Veredler aller menschlichen Verhältnisse“ gesehen und das Prinzip der „Zweckmäßigkeit“ zum Grundprinzip allen Bauens erhoben, heute sind diese Ideale des Architekten zur „Passion eines Harlekins“ verkommen – so die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 7. Juli 2001 zum 95. Geburtstag des umstrittenen Architekten Philip Johnson. Der Dekonstruktivist Johnson, der 1998 im Alter von 92 Jahren ankündigte, er plane in Dallas, Texas, eine „Kathedrale der Hoffnung“ für Lesben und Schwule, baute in Berlin das geschmacklose „Checkpoint Charlie American Business Center Berlin“, zu dem ihn die FAZ zitiert: „Eigentlich wollte ich ein wildes Phantasiehaus machen. Dafür aber gibt mir keiner Geld. Egal, ich habe eben den Auftrag bekommen.“ Einen solchen Niedergang der politischen Kultur hätte Schinkel als „moderne Barbarei“ bezeichnet: „… es ist nicht mehr vollkommene Roheit, Mangel an aller Sitte, Grausamkeit etc., sondern überfeine äußere Bildung, die keinen Grund und Boden hat. Geschmack nach der konventionellen Weise der Zeit ohne Spur von Genie, Entfernung jeder ursprünglichen naiven Gesinnung, raffinierte Umgehung aller Gesetze der Gesellschaft zu egoistischen Zwecken.“((Karl Friedrich Schinkel: Briefe, Tagebücher, Gedanken, ausgew., eingel. und erl. von Hans Mackowsky, Repr. 1981, Berlin 1922, S. 198.))

Schinkels Lebensweg

Schinkel entstammte einer Familie aus der Mark Brandenburg. Sein Vater, der in Halle Philosophie, Mathematik, Physik und Theologie studiert hatte, war Diakon und Inspektor (Superintendent) der Kirchen und Schulen in Neu-Ruppin, wo Schinkel als zweites Kind von weiteren vier Geschwistern am 13. März 1781 geboren wurde. Die Mutter Dorothea, geb. Rose, war einer Gelehrtenfamilie verwandt. Ihr Neffe, Valentin Rose, besaß unweit des heutigen S-Bahnhofs Hackescher Markt eine Apotheke, in der der ebenfalls in Neu-Ruppin geborene (1819) Theodor Fontane ab 1836 bei Valentin Roses Sohn Wilhelm seine viereinhalb Jahre dauernde Lehrzeit verbrachte und auch autobiographisch beschrieben hat. Fontane stellte Nachforschungen über die Kindheit Schinkels an, traf Personen, die Schinkel noch kannten, was er in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg im Band der Grafschaft Ruppin schildert.

In Schinkels Elternhaus wurde viel musiziert, Schinkel selbst spielte Klavier, zeichnete und spielte mit den Geschwistern Theater. Musik und Theater begleiteten Schinkel sein ganzes Leben lang, er liebte neben dem Quartettspiel vor allem die Opern Glucks, Mozarts und Beethovens und war Stammgast bei den Berliner Symphoniekonzerten. Im Laufe seines Lebens entwarf Schinkel mehr als 100 Theaterdekorationen für insgesamt 42 Stücke, allein 26 Szenenbilder für Mozarts Zauberflöte. Er war mit Felix Mendelssohn-Bartholdy, der 1829 in der Berliner Singakademie Bachs Matthäuspassion wiederaufführte, ebenso befreundet wie mit Carl Friedrich Zelter.

Nach dem Tod des Vaters zog die Familie 1794 nach Berlin, wo Schinkel das berühmte sog. „Graue Kloster“ besuchte, Berlins

älteste höhere Schule und Elitegymnasium, mit dessen Direktor Friedrich Gedike Schinkels Vater befreundet gewesen war. Die historischen Ereignisse, die Philosophie und Mythologie der Antike wurden ihm im Latein- und Griechischunterricht vermittelt, den Gedike selbst erteilte. Wie Gustav Friedrich Waagen, späterer Direktor der Gemäldegalerie der Königlichen Museen, der Schinkel auf seiner zweiten Italien-Reise 1824 begleitete, in seiner Schrift über Schinkel schrieb, sei auch durch die lebenslange Freundschaft zu dem fast gleichaltrigen Karl Wilhelm Ferdinand Solger schon auf dem Gymnasium seine Begeisterung für das griechische Altertum geweckt worden: „Solger machte ihn mit den großen griechischen Tragikern vertraut, welche er mit ihm meist des Sonntags, teils im Original, teils in Übersetzungen, zu lesen pflegte.“((„Karl Friedrich Schinkel als Mensch und als Künstler“, in: Waagen, Gustav Friedrich: Kleine Schriften. Stuttgart 1875. S. 328.))

Solger, später Professor für Philosophie an der Universität Frankfurt/O. und seit 1811 an der neuen Universität Berlin, wo er Vorlesungen über Ästhetik hielt, hatte sich von den Romantikern abgewendet und war deren unbeirrbarer Gegner geworden, die er als „halbtaube Träumer“ und „liebeschwärmende Huren“ bezeichnet, sie „nichtswürdiger Geniesucht“ beschuldigt, deren, „Sentimentalisieren und Idealisieren … aus innerlicher Liederlichkeit“ hervorgehe.((Goerd Peschken: Das Architektonische Lehrbuch. München, Berlin 1979, S. 38ff.)) Solger war auch eng mit Ludwig Tieck und dem Historiker Friedrich von Raumer befreundet, der als deutscher Gesandter in Paris tätig war.

Schinkels Geschichtslehrer war Günter Karl Friedrich Seidel, der während Schinkels Schulzeit, 1795, ein Buch über die Staatsverfassung der Vereinigten Staaten von Nordamerika veröffentlichte, in dem er die politische Freiheit des amerikanischen Volkes als Vorbild hinstellte, von der er allerdings die Bevölkerung der Afrikaner und Indianer ausgeschlossen sieht.((Hans Joachim Herrmann: Friedrich Gedike und Schinkel. In: Karl Friedrich Schinkel und die Antike. Stendal 1985, S. 11 ff.))

Sein entschiedener Hang zur Kunst, der sich bei ihm früh gezeigt habe, wie Schinkel in seiner Selbstbiographie von 1825 schreibt, und der überwältigende Eindruck, der der in der Akademie der Künste ausgestellte Denkmalsentwurf für Friedrich II. von Friedrich Gilly auf ihn macht, bringt ihn mit 16 Jahren zu der Entscheidung, das Gymnasium vorzeitig zu verlassen und in das Atelier Friedrich Gillys einzutreten.

Dieser war im Dezember 1798 von einer Studienreise nach Paris, wo er sich sechs Monate aufgehalten hatte, und anderen europäischen Hauptstädten nach Berlin zurückgekehrt. Schinkel zog in das Haus der Gillys ein, wo auch der Maler Leo von Klenze wohnt, und hat nun Zugang zur Elite der Baumeister und Architekten. Im Winterhalbjahr 1799 beginnt er sein Studium an der Bauakademie, das er 1802 abschließt.

Die Gillys und die Bauakademie

Die Berliner Bauakademie sollte, ähnlich wie die von Humboldt geschaffene Universität oder das humanistische Gymnasium, dazu dienen, den Leibnizschen Ansatz der einheitlichen Wissenschaft und humanistischen Bildung zu erhalten. Unmittelbar war damit auch der Zweck verbunden, die erfolgreiche Forschungstradition der École polytechnique von Carnot (der in Paris eng mit Alexander von Humboldt befreundet war)((Siehe auch Andreas Ranke: Wie Carnot preußischer Generalleutnant wurde. In: Neue Solidarität, Jg. 26, Nr. 7, 17.2.1999, S. 6.)) aus dem degenerierenden nachrevolutionären Frankreich nach Deutschland zu retten, was ohne die Bemühungen der Gebrüder Humboldt in der Form nicht möglich gewesen wäre.

Der Oberbaurat David Gilly (1748–1808), der sich als Baumeister und Ingenieur durch seine Leistungen im Kanalbau einen Namen gemacht hatte, hatte 1793 eine private Bauschule, die „Lehranstalt zum Unterricht junger Leute in der Baukunst“ gegründet, die 1799 in der Bauakademie („Allgemeine Bau-Unterrichts-Anstalt für die gesamten Königlichen Staaten“) aufging, zu deren Mitbegründern er auch gehörte. Vorbild der Bauakademie war die École polytechnique, die aus der 1794 gegründeten École centrale des traveaux publics hervorging. David Gilly ging es in Berlin um die Etablierung einer polytechnischen Hochschule für Ingenieure mit dem Ausbildungsschwerpunkt der Kameralbauwissenschaft, die er als Institution gegen den Zeitgeist der Romantik verstand.((Friedrich Gilly: Essays zur Architektur 1796–1799. Berlin 1997, S. 80.))

David Gilly (1748–1808)

David Gilly und sein Sohn Friedrich brachten nach dem Scheitern der Französischen Revolution 1789 die kameralistische Politik Carnots nach Deutschland, mit der sie das Ziel verfolgten, in der Architektur die Einheit von Geistes- und Naturwissenschaften, von Wissenschaft und Kunst zu sichern. Die wenigen erhaltenen Veröffentlichungen David Gillys machen diese Absicht deutlich. Erst mit dem tiefen Einschnitt des Wiener Kongresses 1814/15 und der Metternichschen Karlsbader Beschlüsse 1819 wurde dieser Carnot-Humboldtsche Ansatz, der das Denken von G. W. Leibniz fortsetzte, weitgehend zunichte gemacht.

Friedrich Gilly (1772–1800), der durch seinen Denkmalsentwurf für Friedrich II. mit einem Schlage berühmt wurde, galt als einer der bestausgebildeten und begabtesten Architekten seiner Zeit, zu dessen Lehrern nicht nur der Vater David (1748–1808) gehörte, sondern auch Architekten und Bildhauer wie Erdmannsdorff, Langhans, Chodowiecki und Schadow. Erdmannsdorff (Schloß Wörlitz, u. a.) wiederum pflegte persönliche Kontakte zu Winckelmann.

Im April 1797 begibt sich Friedrich Gilly auf eine Studienreise, ursprünglich nach Italien geplant, die ihn aber wegen der politischen Umstände u. a. nach Paris führt, wo er sich sechs Monate aufhält. In dieser Zeit nimmt Schinkel Privatunterricht bei Vater Gilly an dessen erster privater Berliner Architekturschule, die dieser schon 1793 gegründet hatte. Friedrich Gilly kehrt im Dezember 1797 nach Berlin zurück und gründet bereits im Januar 1798 zusammen mit dem Freund Heinrich Gentz die Privatgesellschaft junger Architekten. Die Ideen dazu hatte er aus Paris mitgebracht. Die Privatgesellschaft, gedacht als Gegeninstitution zur herkömmlichen Architektenausbildung, diente dem „ernsteren Studium der Kunst“, wollte erzieherisch auf die allgemeine Geschmacksbildung einwirken und publizistisch in die öffentliche Debatte eingreifen. Sie umfaßte nach dem Vorbild der platonischen Akademie sieben Mitglieder: Gilly und Gentz, der Schulfreund und Bauassessor Joachim Ludewig Zitelmann, der Architekt Martin Friedrich Rabe, Schinkel, Carl Haller von Hallerstein und wahrscheinlich Carl Ferdinand Langhans, Sohn des Erbauers des Brandenburger Tores. Auch wenn die Zusammenkünfte dieser Privatgesellschaft über die Gründung der Bauakademie hinaus weiter stattfanden, kann man doch davon ausgehen, daß deren Arbeit so schnell wie möglich institutionalisiert werden sollte. Dieses geschah mit der Aufnahme des Lehrbetriebes der Bauakademie am 1. Oktober 1799 im gerade fertiggestellten Münzgebäude am Werderschen Markt. Als „Königliche Bauakademie zu Berlin“ war sie Deutschlands erste staatliche Architekturschule. Das Gebäude der Münze war übrigens von Heinrich Gentz entworfen worden und trug den von Friedrich Gilly geschaffenen umlaufenden Figurenfries. Die Dozenten kamen z.T. aus der Privatgesellschaft und gehörten zu Preußens erster Architektengarde:

Heinrich Gentz (der ab 1801 auf Veranlassung Goethes in Weimar tätig war), David und Friedrich Gilly, Carl Gotthard Langhans (1732–1808, bekannt durch den Bau des Brandenburger Tores, das er nach dem Vorbild des Athener Stadttores ausführte), Aloys Ludwig Hirt (später Hofrat, als Mitglied der Baukommission setzt er sich mit Schinkel intensiv über die Errichtung des neuen Museums auseinander), Friedrich Wilhelm Becherer und der Ingenieur Johann Albert Eytelwein, der gleichzeitig der erste Direktor ist und erst 1830 von Schinkel als Leiter der Oberbaudeputation abgelöst wurde.

Die sog. „Alte Münze“, in die zunächst die Bauakademie einzog. Das Gebäude entwarf David Gilly, sein Sohn Friedrich den umlaufenden Figurenfries.

Zusammen mit Eytelwein hatte David Gilly 1797 die erste Berliner und deutsche Architekturfachzeitschrift Sammlung nützlicher Aufsätze und Nachrichten, die Baukunst betreffend : für angehende Baumeister und Freunde der Architektur gegründet. Der erste Band der Zeitschrift nennt in der Vorrede die Zielsetzung des Periodikums, nämlich die Vereinigung von Wissenschaft und Kunst, und die Wirksamkeit der Baukunst im Sinne des gesellschaftlichen Allgemeinwohls, womit sie sich auch an die junge Bauakademie wandte, deren Programm und Ziele ebenfalls mitgeteilt wurden. In seinem Aufsatz Einige Gedanken über die Notwendigkeit, die verschiedenen Teile der Baukunst, in wissenschaftlicher und praktischer Hinsicht, möglichst zu vereinen, der 1799 ebenso in der Sammlung erschien, wie sein Aufsatz Beschreibung des Landsitzes Rincy unweit Paris entwickelt er die wesentlichen Gedanken, wie wir sie später bei Schinkel wiederfinden: die Einheit von Wissenschaft und Kunst und die „Vereinigung des Nützlichen mit dem Schönen“, beides Aufgaben, die er mit der Notwendigkeit der Poesie verband.((Friedrich Gilly: Essays zur Architektur 1796–1799. S. 167 ff.))

Man kann davon ausgehen, daß Friedrich Gilly das gedankliche Umfeld, das in diesen Aufsätzen zum Ausdruck kommt, aus seiner außergewöhnliche Sammlung von Büchern und Kupferstichen schöpfte, deren internationale Bibliographie die Bibliothek eines humanistisch gebildeten Menschen ausweist. Neben Titeln archäologischen, architektonischen oder geographischen Inhalts findet man sieben Werke Winckelmanns, die Geschichte der Mathematik von Kästner, Homers Ilias und Odyssee, mehrere Bücher Lessings (Laokoon, und Hamburgische Dramaturgie) und Schillers Über Anmut und Würde und Musenalmanach von 1799.

Peter C. W. Beuth (1781–1853)

Diese Bibliothek, die später an die Bauakademie überging, stand auch der erwähnten „Privatgesellschaft junger Architekten“ und damit natürlich auch Schinkel zur Verfügung. Friedrich Gillys hoffnungsvolle Karriere und damit auch seine Pläne für ein umfangreiches Lehrbuch werden allerdings abrupt beendet, als er 1800 im Alter von 28 Jahren ganz plötzlich an einem Lungenleiden stirbt.

Humboldt und Beuth

Die spätere Bedeutung und Funktion der Bauakademie und ihre enge Einbindung in die Industrialisierung Preußens wird durch das intensive Zusammenwirken Schinkels mit seinem lebenslangen Freund Peter C. W. Beuth bestätigt. Schinkel ging 1810 durch die Vermittlung Wilhelm von Humboldts an die Oberbaudeputation, Beuth reorganisierte seit 1817 die technische Deputation für Gewerbe, die dem Handelsministerium unterstand. Schinkel hatte schon mehrere Jahre an Beuths Deputation als „Assessor für das ästhetische Fach“ mitgearbeitet, bis sie 1819 auch formell in Kraft trat. Beide schlugen 1831 Friedrich Wilhelm III. den heute bekannten Neubau der Bauakademie („Allgemeine Bauschule“) und der Oberbaudeputation am Werderschen Markt vor, der 1832 begann und 1836 beendet wurde.

Nach Abschluß seines Studiums der Rechts- und Staatswissenschaften wird Beuth 1803 zu dem Frhr. vom Stein unterstehenden Manufaktur- und Kommerziendirektorium nach Berlin versetzt. Mit Aufhebung der französischen Besatzung 1809 und Rückkehr der Regierung Friedrich Wilhelm III. nach Berlin wird er von Hardenberg erneut nach Berlin geholt. Unter ihm arbeitet er an verschiedenen Vorhaben die Staatsreform betreffend mit, zunächst im Finanzministerium in der dem Staatsrat Christian Kunth unterstehenden Abteilung Handel und Gewerbe, 1817 dann im Handelsministerium, wo er die Abteilung für Handel, Gewerbe und Bauwesen reorganisiert. Während der Befreiungskriege gehörte er genauso dem berühmten Freikorps Frhr. v. Lützows an wie Schillers enger Freund Körner (Lützows wilde, verwegene Jagd) oder Eichendorff.

Christian Kunth war der Lehrer Alexander und Wilhelm von Humboldts und auf Fürsprache von deren Mutter 1796 beim Manufaktur- und Kommerzkollegium angestellt, deren Leitung er später übernahm. Kunth war es auch, der seinem Nachfolger Beuth seine vorzüglichen Kenntnisse über die Gewerbetechnologie und die Steinschen Reformvorstellungen vermittelte. Im Rahmen dieser Reformen wurde am 27. Oktober 1810 die Errichtung einer wissenschaftlich begründeten Technischen Deputation der Regierung angeordnet, unabhängig von allen Spezialdeputationen. Wie schon gesagt wurde Beuth am 21. Juli 1819 vom König zu deren Direktor bestimmt. Die Aufgabe der Technischen Deputation war die Förderung der Privatunternehmer zur Eigeninitiative. Dies tat Beuth auch ganz persönlich, indem er in seiner Wohnung eine Art von „Sonntagsgesellschaft“ mit Gewerbetreibenden, Staatsmännern, hohen Offizieren und Künstlern zusammenbrachte, um über Entwicklungen und Förderung der Gewerbe im Interesse des Staates zu diskutieren, wobei besonders der Vergleich zu anderen Ländern im Vordergrund stand. Teilnehmer dieses Kreises erarbeiteten Statuten für den „Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes“, dessen Gründungsversammlung am 15. Januar 1821 im Berliner Rathaus stattfand. Das erste Verzeichnis führt 367 Mitglieder auf, die Elite von Politik und Wirtschaft. Zu ihr gehörte u. a. der Staatsminister für Handel und Gewerbe, Graf von Bülow, mit seinen Geheimräten, Regierungspräsidenten und Landräten, Alexander und Wilhelm von Humboldt, Frhr. v. Stein, Gneisenau, Schinkel, Kunth, Rauch, Schadow, der Industrielle und Abgeordnete Friedrich Harkort (er förderte seit 1825 den Bau von Eisenbahnen, Kanälen, die Dampfschiffahrt auf dem Rhein), der Stahlfabrikant Friedrich Krupp, der englische Industrielle William Cockerill (den Beuth während der Befreiungskriege traf und ihm zur Gründung von Musterbetrieben in Berlin, Cottbus, Grünberg und Guben verhalf), der Maschinenbauer Johann Friedrich August Borsig (der bei Beuth studiert hatte und 1840 die erste Lokomotive konstruierte und baute. Sein Werk expandierte zur größten Lokomotivfabrik des Kontinents), der Maschinenbauer Franz Anton Egells (bei dem Borsig anfangs gearbeitet hatte. Er verbesserte den Produktionsablauf der Königlichen Eisengießerei und wurde von Beuth gefördert. Die von ihm 1821 eröffnete Eisengießerei und Berliner Maschinenbauanstalt galten als die modernste seiner Zeit.)((Wissenschaftspolitik in Berlin. Hrsg. von Wolfgang Treue und K. Gründer. S. 119 ff. (Berlinische Lebensbilder, Bd. 3) ))

Im gleichen Jahr, 1821, gründete Beuth für das private Gewerbe eine „Technische Gewerbeschule“, das spätere Gewerbe-Institut. Es nahm seinen Unterricht in der Klosterstraße auf (heute hinter der Marienkirche auf dem Gelände des Alexanderplatzes), wo auch die Deputation und der Verein untergebracht waren. Vom Jahr ihrer Gründung bis 1850 durchliefen ca. 2500 Schüler das Institut, und Beuth schuf hiermit sozusagen die Unternehmerelite Preußens und Deutschlands. Ab 1821 erschien auch unter der Zusammenarbeit Beuths mit Schinkel die Vorlagensammlung Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker. Es ist das Fortsetzungswerk des seit 1803 erschienenen Elementar-Zeichenwerk zum Gebrauch der Kunst- und Gewerk-Schulen der preußischen Staaten, an dem auch schon der ursprüngliche Bauschulengründer Heinrich Gentz mitgearbeitet hatte.((S. a. Frank Hahn: Die frühe Industrialisierung Preußens – eine Frucht klassischer Bildung. In: Neue Solidarität, Jg. 20, Nr. 10, 10. 3. 1993, S. 5–8.))

Beuths große Gewerbe-Ausstellung in Berlin, 1844 anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Deutschen Zollvereins von seinen Mitgliedsstaaten durchgeführt, zeigte noch einmal die hohe Qualität der Arbeiten der Deputation, des Gewerbe-Instituts und seiner ehemaligen Schüler, die nach den Empfehlungen der Vorbilder entstanden waren.

Beuth starb 1853 in Berlin. Sein Nachlaß ging an die Bauakademie, nachdem er die besten Stücke seiner Kunstsammlung schon früher dem neu errichteten Schinkelschen Museum überlassen hatte. Sein Denkmal, das Freunde aus Handel und Wirtschaft finanzierten, trägt die Porträts aller der Persönlichkeiten, mit denen Beuth in freundschaftlich-förderndem Verhältnis gestanden hatte. Es wurde vor der Bauakademie aufgestellt, dort, wo auch die Standbilder Schinkels und Thaers standen.

Ein unermüdlicher Arbeiter

Karl Friedrich Schinkel war entsprechend seines Selbstverständnisses, wonach im Wirkungskreis eines Architekten schöne Kunst – Plastik, Malerei und die Kunst der Raumverhältnisse – nach Bedingungen des sittlichen und vernunftgemäßen Lebens des Menschen zu einer Kunst zusammenschmelzen sollen, ein vielseitiger und äußerst begabter Architekt und Stadtplaner, Maler (er malte mehr als 60 Ölgemälde), und nach modernem Verständnis könnte man hinzufügen, Designer. Es gab nichts, was er nicht entwarf – Möbel, Tapeten, Stoffmuster, Kronleuchter, Parkettfußböden, Bilderrahmen, Porzellan, Figuren, Dekorationen für Opern – kein Gebiet, das er unberücksichtigt ließ – Museen, Theater, Schlösser, Kaufhäuser, einzelne Wohnhäuser und ganze Residenzen, umfassende Infrastrukturprojekte. Seine bekanntesten ausgeführten Bauten im Berliner Zentrum sind die „Neue Wache“ (1816–1818) und das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt (1818–1821), das heutige „Alte Museum“ am Lustgarten (1824–1830), die Friedrich-Werdersche Kirche am Werderschen Markt (1825–1828) und die sich im Wiederaufbau befindliche Bauakademie (1831–1835).

Gigantische Bauprojekte wie die gegenwärtige Gestaltung des Potsdamer Platzes in Berlin hätten unter Schinkel schon deshalb nicht entstehen können, weil Schinkel verantwortlich in großen städtebaulichen Zusammenhängen dachte und plante, Gebäudekomplexe in die bestehende Stadtlandschaft anpaßte und sie im Einklang der natürlichen Umgebung sah.

Er baute das heute noch im Originalzustand erhaltene Wohnhaus Wilhelm von Humboldts in Berlin-Tegel (1822–1824) und erhielt Aufträge des späteren Staatskanzlers von Hardenberg. Schinkel stand überhaupt den preußischen Reformern nahe. Gneisenau ist ein Förderer und Liebhaber seiner Kunst, für ihn malt Schinkel mehrere Bilder. Für Scharnhorst entwirft er das Grabmal, das von Tieck und Rauch ausgeführt wird, und bekannt ist der Entwurf seines Denkmals auf dem Kreuzberg, an dem ebenfalls Rauch und Tieck beteiligt sind.

Ausführliche Tagebücher seiner Reisen ins In- und Ausland, die seinen Lebensgang entscheidend beeinflussen, sind erhalten und wurden 1862 zusammen mit anderem schriftlichen Material nach dem Tod von Schinkels Witwe von Alfred von Wolzogen (1823–1883) veröffentlicht. Alfred Freiherr von Wolzogen war mit Schinkels jüngster Tochter Elisabeth verheiratet und hatte 1859 anhand von Familien-Papieren die engen Beziehungen der Familien Friedrich Schiller/Wolzogen dokumentiert. Wilhelm und Karl von Wolzogen hatten mit Schiller zusammen die Karls-Akademie zu Stuttgart besucht. Die Mutter Henriette Freifrau von Wolzogen lernte Schiller schon um das Jahr 1780 persönlich kennen und war von ihm auch bei dessen Eltern auf der Solitüde eingeführt worden. Der junge Schiller nahm 1782 Zuflucht auf ihrem Gut in Bauerbach. Schillers Schwägerin, Caroline von Lengefeld, ehelichte Wilhelm von Wolzogen und veröffentlichte 1830 eine zweibändige Biographie über das Leben Schillers.

Der umfangreiche Nachlaß von weit mehr als 3000 Blatt Zeichnungen und Skizzen zeugt von Schinkels unermüdlicher Arbeit. Zu didaktischen Zwecken erstellte er verschiedene Vorlagensammlungen architektonischer Entwürfe, wie die Vorlegeblätter für Baumeister, die nach seiner England-Reise 1826 entstanden, oder, wie oben beschrieben, zum Zwecke der Gewerbeförderung zusammen mit Beuth das Lehrwerk Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker. Es gibt Tafeln von ihm für die Vorlegeblätter für Maurer und zum malerischen Architekturzeichnen für Bau- und Kunst-Akademien, Gewerbe-Institute und technische Anstalten. Vor allem aber arbeitete er an einem umfassenden architektonischen Lehrbuch, das jedoch nicht in abgeschlossener Form vorliegt.((Goerd Peschken: Das architektonische Lehrbuch, a. a. O., S. 41.))

Als hoher Staatsbeamter unter den Hohenzollernkönigen Friedrich Wilhelm III. und IV. stand er an der Spitze der preußischen Bauverwaltung (1810 war er auf Veranlassung Wilhelm von Humboldts durch Friedrich Wilhelm III. in den Staatsdienst an die Ober-Baudeputation berufen worden, übernahm deren Leitung 1830 und war seit 1838 deren Oberlandesbaudirektor und Ministerialrat), und war für das Bauwesen ganz Preußens verantwortlich, was u. a. eine ausgedehnte Reisetätigkeit zur Folge hatte. Er verband sein Amt nicht nur mit einer genauen Kenntnis über den Stand und Fortschritt der Infrastruktur, die Beschaffenheit, Erhaltung und den Bau von Straßen, Wasserwegen und Brücken, alter Baudenkmale oder sonstiger Gebäude, sondern auch die Ausbildung und Tätigkeit der Baubeamten in den Provinzen. Dazu unternahm er umfangreiche Reisen, die ihn immer wieder nach Italien zurückführten (1803–1805, 1824 und 1830), hielt sich aber auch mehrere Monate in Frankreich auf, wo er in Paris 1826 insbesondere mit Alexander von Humboldt zusammentraf. Die geschichtlichen Perioden der Antike, Renaissance und Mittelalter anhand von Städtebau, der Bauwerke, ihrer Architektur und Malerei zu studieren und verstehen zu lernen, war Ziel und wichtigstes Anliegen der italienischen Reisen und schlug sich in zahlreichen bildlichen Darstellungen nieder. Seine ausführlichen Reiseberichte geben einen lebendigen Eindruck nicht nur über die Persönlichkeit Schinkels, sondern zeigen den Charakter der damals durchaus üblichen wissenschaftlichen Reisen.

Schinkel erlebt die großen politischen Umwälzungen, die von den bedeutenden natur- und geisteswissenschaftlichen Netzwerken seiner Zeit herbeigeführt werden: der Kampf gegen die napoleonische Besatzung((Siehe auch Helga Zepp-LaRouche, „Imperien zerstören sich immer selbst“, in Ibykus, 20. Jg, Heft 74, 2001, S. 4–14.)) (die Franzosen besetzen 1806–1808 Berlin, und Napoleon regiert vom Berliner Schloß aus), die in die Freiheitskriege 1813–1815 münden (Berlin stellt 6000 Freiwillige zum Befreiungskampf, über die Hälfte des preußischen Kontingents, und auch Schinkel läßt sich 1813 für den Landsturm ausbilden, kommt aber nicht zum Einsatz), die Reformen, die zu einer revolutionären Entwicklung des Gewerbes, der Landwirtschaft und des technischen Fortschritts führen: Stein-Hardenberg, durch die 1807 die bäuerliche Erbuntertänigkeit aufgehoben wird, die des Agrarwissenschaftlers Albrecht Daniel Thaer und die weitreichende Bildungsreform Wilhelm von Humboldts, auf dessen Initiative 1810 die kameralwissenschaftlich orientierte Friedrich-Wilhelm-Universität (heute Humboldt-Universität) gegründet und organisiert wird.((Siehe auch Rosa Tennenbaum, „Bildung zur schönen Menschlichkeit“, in Neue Solidarität, Jg. 25, Nr. 28, S. 9–12, Nr. 29, S. 6–9, 1998.)) Die Humboldt-Brüder, mit denen er eng befreundet ist, besucht er in Rom und Paris.

Wissenschaftliche Reisen

In Rom hält sich um die Jahrhundertwende alles auf, was Rang und Namen hat. Er trifft Wilhelm von Humboldt, der dort 1802–1808 zunächst als preußischer Resident bei der Kurie, dann als Bevollmächtigter Gesandter in Rom tätig ist. Schinkel, der seine zweite Italien-Reise u. a. in Begleitung von Gustav Friedrich Waagen, dem damaligen Direktor der Berliner Gemäldegalerie antritt, trifft zahlreiche Maler, Bildhauer, wie Bertel Thorwaldsen (dem er die architektonische Anordnung des Grabmals Papst Pius‘ VII. in San Pietro entwirft) und Gelehrte, die später an den Berliner Museen und Universitäten führende Ämter bekleiden, wie den damaligen Gesandtschaftssekretär in Neapel, Ignaz von Olfers, später Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin.

Foto: Christopher Lewis
Wilhelm von Humboldt (1767–1835)

 Schinkel reist wie in einem glücklichen Traum durch Italiens „ewigen Garten“ auf „klassischem Boden“. In der Meerenge von Messina steht ihm das Bild Homers lebhaft vor der Seele. „Ich sah den irrenden Odysseus, wie er der brausenden Charybdis wich, um an dem starrenden Felsen der Scylla die werten Genossen zu verlieren, um sein und der übrigen Leben zu retten…“ Er besucht die antiken Stätten, studiert deren Konstruktion und architektonische Verhältnisse, fertigt mehr als 400 Zeichnungen an, sammelt Pflanzen, die er konserviert und nach Berlin schickt, und zahllose Kontakte und Freundschaften ermöglichen ihm den Zugang zu Privatsammlungen und Kunstkabinetten. Hier schult er seine Kenntnisse der europäischen Malerei, die ihm später in einzigartiger Form bei den Verhandlungen um den Ankauf der Boisseréeschen Gemäldesammlung für den preußischen Staat zugute kommen. Es ist eine Reise, die er höchst nötig hatte, wie er an seine Frau schreibt, kurz bevor er nach Deutschland zurückkehrt, nicht ohne sich in Weimar ausführlich mit Goethe auszutauschen (den er insgesamt viermal persönlich getroffen hat). „Ich fühle aber auch, daß ich mit dieser Reise für mein Leben völlig beruhigt sein werde.“

Foto: Christopher Lewis
Alexander von Humboldt (1769–1859)

 

Der Gegensatz zu den Reisen 1826 nach Frankreich, England und Schottland, die er in Begleitung des gleichaltrigen, Peter C. W. Beuth unternahm, könnten nicht größer sein. Mit Beuth verband ihn eine 40jährige innige Freundschaft, die derjenigen Schillers mit Körner vergleichbar ist.

Die Reise nach Paris und London wird von Friedrich Wilhelm III. im Zuge des Museumsbaus am Lustgarten angeordnet, „um dort von der Einrichtung ganz genaue Kenntnis, behufs der künftigen Einrichtung des hiesigen Museums, zu nehmen“. Per Kabinettsorder verweist der König ihn in Paris an Alexander von Humboldt, der seit 1807 in Paris lebte, und in London an den Gesandten Freiherrn von Maltzahn. Dessen Posten hatte mittlerweile Baron von Bülow übernommen, Schwiegersohn Wilhelm von Humboldts und späterer Außenminister. In Paris tut Humboldt alles mögliche, wie Schinkel an seine Frau schreibt, um ihn überall einzuführen. Schinkels Beschreibungen gleichen einem „Who is Who“ der Pariser wissenschaftlichen und politischen Gesellschaft und geben einen sehr interessanten Einblick in die Netzwerke, in denen Humboldt verkehrte.

In London gab es zwar schon eiserne Abflußrinnen in den Trottoirs, Gasbeleuchtung, eiserne Dach- und Gewölbekonstruktionen und feuerfeste Fabriken; die Kapazitäten der London Docks beeindrucken Schinkel und Beuth ebenso wie die der Royal Military Academy. Sie besichtigen auch den Bau des Themse-Tunnels mittels einer „Schildmaschine“, sehen den breiten Einsatz der Dampfmaschine. Aber die ehrwürdigen Bauten Londons hinterlassen bei Schinkel einen mysteriösen Eindruck, und am poetischsten erscheint ihm der Anblick der Stadt in der Abenddämmerung, wenn „die Menge der leicht und mit ermüdender Monotonie gebauten Wohnhäuser dem Auge dann weniger störend entgegentritt…“

Dann geht es nach Birmingham, und – „wie traurig ist der Anblick einer solchen englischen Fabrikstadt!“ Er ist bald überzeugt, daß hier viel Armut herrscht, und für ihn hier nichts zu finden sei. Ein paar schlechte Kirchen, eine schreckliche Statue Nelsons, „an der ein großer Schiffsschnabel und der abgeschossene Arm des Seehelden die Hauptsachen sind“, uninteressante rote Backsteinhäuser, alles dies erzeugt nur einen melancholischen Eindruck. Je nördlicher er fährt, desto erschreckender der Kontrast von prächtigen Landhäusern und Parks der Adligen und Fabrikherren, reich geworden mit Beginn der Industrialisierung, und der verarmten Bevölkerung. Höhepunkt seiner Beschreibung ist Manchester, die laut Beuth wegen ihres Klimas „der Nachttopf von England“ bezeichnet wird. Dort erlebt er die Wirtschaftskrise. „Es waren soeben sechshundert irländische Arbeiter aus den Fabriken von Manchester auf Kosten der Stadt, aus Mangel an Arbeit, nach ihrem Vaterlande zurückgebracht worden, und zwölftausend Arbeiter kamen zu einem Meeting zusammen, um zu revolutionieren, denn viele können, obwohl sie sechzehn Stunden des Tags arbeiten, wöchentlich doch nur zwei Shillings verdienen… Viel englisches Militär ist jetzt in der Stadt zur Sicherheit zusammengezogen.“

Schinkels Kunstauffassung: Ideal der Baukunst

Als das eigentliche Wesen der schönen Künste sieht Schinkel deren höhere Herrschaft über die Natur an. „Sie ist das Werkzeug der Ewigkeit der Ideen“. Die Architektur ist ihm die Fortsetzung der Natur in ihrer konstruktiven Tätigkeit. Der Architekt ist der Veredler aller menschlichen Verhältnisse und soll zuallererst auf das vollendet ideale Leben der menschlichen Gattung auf der irdischen Welt sehen. Realisiert er dieses Ziel, ist sein Leben als glückselig zu bezeichnen.((Wilhelm von Humboldt: Über das Museum in Berlin. 1830–34. In: Politische Denkschriften. Bd. 3, 1815–1834, 2. Hälfte. Berlin 1904. (Gesammelte Schriften. Bd. 12.)
Wilhelm von Humboldt: Über den Begriff der Kunst. In: Wilhelm von Humboldts Werke. Hrsg. von Albert Leitzmann. Bd. 7, 2. Hälfte. Berlin 1908. (Gesammelte Schriften. Bd. 7.)))

Die Grundlagen der Baukunst, die auf Winckelmann zurückgehen und seine Beiträge zur Baukunst der Antike, sind für Schinkel auf die Konstruktion (Tempelarchitektur = Säulen, Portiken; Kirchenarchitektur = Fenster, Gewölbe, Pfeiler), auf die geschichtliche Wirklichkeit (hier besonders die griechische Antike und den Kirchenbau des Mittelalters) und auf ihr Vorbild aus der Natur zurückzuführen. Die Baukunst sieht er als Einheit von Handwerk und Wissenschaft, deren neue Gestaltung bestimmt wird durch den wissenschaftliche Fortschritt und die sich durch ihn ändernden Lebensverhältnisse. Diese Lebensverhältnisse des Menschen zu verbessern, sei die Aufgabe des Architekten, dessen Ausbildung sich an dieser Notwendigkeit orientieren muß. Er muß die Fehler der Architektur studieren (in zahlreichen Bildbeispielen von Schinkel dargestellt), ihre historische Entwicklung und besten Vorbilder, um daraus etwas Neues zu gestalten. Kurz und knapp entwickelt er dann Das Prinzip der Kunst in der Architektur, das er im wesentlichen in der Zweckmäßigkeit des Bauens sieht.

Der wahren Baukunst voraus geht für Schinkel jedoch die freie Idee, für deren Verwirklichung es nur die Regel gebe: „Für das unendliche Reich dieser Idee können nur die allgemeinen Gesetze der Vernunft aufgestellt werden, und das Walten darin bleibt der Genialität überlassen; aber jedem Menschen wird es Pflicht, die neue Gestaltung zu finden, welche in jedem neuen Fall durch die Idee nach dem Vernunftgesetze erscheinen soll, und in diesem Soll liegt das Grundgesetz der Vernunft für den handelnden Menschen.“((Gedanken zur Baukunst. In: Karl Friedrich Schinkel: Briefe, Tagebücher, Gedanken. A. a. O., S. 192 ff.))

Schinkel beschreibt die Geschichte der Baukunst in ihrem Verhältnis zur Entwicklung der Wissenschaft am Beispiel der Baukonstruktion. So seien die ägyptischen und ältesten griechischen Werke von einem oft unermeßlichen Aufwand physischer Kräfte gekennzeichnet, durch welche die Idee von Größe und Unvergänglichkeit irdischer Macht geleitet wurde. Im Fortschritt der Wissenschaft und ihre Anwendung auf die Kunst wurde die freie Kraft des Geistes über die materielle Welt sichtbar. Dieses Bewußtsein eigener Freiheit, der den Menschen über das Irdische hinweghebt, bezeichnet Schinkel als das eigentliche Wesen der Schönheit, die er in der Baukunst der Griechen am Vollkommensten sieht. Mit fortschreitender Erweiterung der Wissenschaft und auf dem Grunde der Kunstbildung der Griechen entstand der Gewölbebau und seine höchste Ausbildung im Mittelalter, den Schinkel als einen weiteren Schritt der geistigen Herrschaft in ein neues unendliches Feld über die Materie bezeichnet, weil durch ihn mit dem kleinsten Material das Größte in der Ausdehnung erreicht worden war. Dieselbe Freiheit des Geistes, erhöht durch das Christentum, sieht er im Bau von Kirchen und Türmen des Mittelalters, wo die Idee der Erhabenheit und die Wirklichkeit der Entwicklung und des Strebens nach der Höhe vollständig ineinander verschmelzen, und weil „in dem äußerlichen Bau dasjenige sichtbar wird, wodurch wir Menschen unmittelbar mit dem überirdischen, mit Gott zusammenhängen…“

Diesen Begriff des Schönen sieht Schinkel ganz mit Schiller als Basis und Grund menschlicher Existenz, „auf welcher das vernünftige Leben sich auferbaut“, ohne den das Leben nur „Kampf mit der Barbarei“ ist. Deshalb, so schreibt er weiter, solle sich der Mensch in allem schön bilden, „damit jede von ihm ausgehende Handlung durch und durch in Motiven und Ausführung schön werde. Dann fällt für ihn der Begriff von Pflicht… ganz fort, und er handelt überall in seligem Genuß, der die notwendige Folge des Hervorbringens des Schönen ist. Mit anderen Worten: jede Handlung sei ihm eine Kunstaufgabe. – So hat er die Seligkeit auf Erden und lebt in der Gottheit, und aus diesem Standpunkt wird ihm die Pflicht in obigem Sinne als halbe Sünde erscheinen, oder vielmehr: ein Mensch, der nur nach dem Pflichtgefühl handelt, steht noch auf dem unvollkommenen Standpunkte, in welchem die Sünde noch bekämpft werden muß, folglich noch Gewalt über den Menschen ausübt, und noch nicht durch die Liebe zum Schönen ganz verdrängt wurde. Es kann nicht die Bestimmung alles Lebens sein, sich zu quälen, vielmehr soll Seligkeit die Bestimmung alles Lebens sein, und so wird man eigentlich Gott wohlgefälliger, wenn man mit Liebe handelt; aber nur das Schöne ist der höchsten Liebe fähig, und darum handle man schön, um sich selbst zu lieben und dadurch selig werden zu können… Das Schöne ist also erzeugt durch das Behagen an eigener Tätigkeit in harmonisch-sittlichem Gefühl der Weltanschauung und in dem Gefühl des Göttlichen in der Welt.“

Wie alle Beispiele in der Kunst zeigen, schreibt Schinkel weiter, war in jeder Epoche der höheren Bildung die Figur des Menschen, „und zwar die in sich selbst durch Ausdruck, Schönheit und Formenrichtigkeit bedeutsame“ Hauptgegenstand der schönen Kunst. In der Kunst müsse also das Studium der Schönheit an den Gegenständen und deren eigentümlicher, unterschiedlicher Charakter ebenso ausgebildet werden wie das Gefühl für Charakter und das schöne Verhältnis. Obwohl das Individuelle die Gegenstände voneinander trenne, blieben doch überall Punkte, die Gegenstände unter Gattungen zu vereinigen: „Das Erkennen dieser allgemeinen Eigenschaften oder der Gesetze, nach welchen selbst das Individuelle sich allgemeiner Gestaltung unterordnet und beifügt, ist der Reiz der Wissenschaft und Kunst. Für die menschliche Gattung ist es die Quelle der Vernunft.“

Prinzip des gebildeten Staates

Die Bedeutung der schönen Kunst in ihrem Streben nach höchster Wahrheit sieht er in ihrer moralischen, sittlichen Wirkung auf den Menschen, ihn zum schönen, d. h. vernunftgemäßen und moralischen Handeln zu bewegen und ihn zu „bewahren vor Überspannungen aller Art und warnend wirken…“ Oder anders ausgedrückt: „Es gibt auch eine Rückwirkung der schönen Kunst auf die Moral; die Freiheit der Empfindung überhaupt, durch bestimmte Bilder dargestellt im Felde des rein Schönen, schließt alles Egoistische aus; das Bestreben des Künstlers ist, das alle einen Genuß am Höchsten mitempfinden sollen…“ Die Ausbildung eines freien Gedankens könne also nur in der bildenden Kunst erreicht werden. „Sie schließt vollkommen ab, hat aber zugleich die ganze Welt in sich…“. Für die höhere sittliche Ausbildung des Menschen sei es deshalb unerläßlich, neben den klassischen Dichtern die klassische bildende Kunst zu studieren. Dabei solle man sich nicht auf die Kunst des Mittelalters oder des Orients beschränken, sondern die Kultur des griechischen Altertums betrachten. Als Beispiel nennt der die pompejischen Altertümer, wo selbst das kleinste Haus auch des geringsten Mannes voll von schöner Kunst gewesen sei.

Von der Beschreibung jener verschütteten Stätten, jener Zeit der Blüte Griechenlands, leitet er über zu den Aufgaben eines gebildeten Staates und stellt diesem den einer schlechten Regierung gegenüber. Er nennt insbesondere England (man erinnere sich an die in seinem Reisetagebuch geschilderten Eindrücke), aber auch Frankreich, wo er sich 1826 mehrere Monate aufgehalten hatte: „Wie anders sieht dagegen so manches Land aus, wo man Tagereisen macht, ehe man das Haus eines einzigen Begüterten und Privilegierten antrifft, der ungeschickt genug eine Afterkunst um sich gesammelt hat und damit prunkt, während das Volk wenig über dem zahmen Haustiere erhaben wohnt, lebt und kaum denkt. Welcher auch nur mittelmäßige Regent hat einen solchen Zustand erhalten, viel weniger erstreben wollen? Der wahrhaft große hat stets das Ideal des Altertums im Sinne gehabt, der zu verdammende leider, doch nur erst in neuerer Zeit, ein Prinzip des Gegenteils völlig, auch heimlich, wirken lassen. Ihm war es freilich gleich, daß auch er selbst niedrig dadurch wurde, wenn er statt über Menschen, über Tierherden herrschen müßte.“

In der neuen Zeit, fährt Schinkel fort, gebe es ganze Völker, „die auf der sogenannten höchsten Bildung stehen, in denen jedoch kein Kunstideal hervorleuchtet, bei denen die Tätigkeit auf die Vollendung der Lebensbequemlichkeiten bis ins unendlich Kleine fortgesetzt wird… Hier dient die Kunst zum gemeinen Zeitvertreibe, wird eine Äfferei und zuletzt ein Ingredienz zur Immoralität in einer Form, die kaum wieder zu verbannen ist.“ Auch lebten andere Nationen nur durch ihre Nachbarn fort. In ihnen werde nichts Neues geschaffen. Ganze Nationen sicherten ihre nackte Existenz nur dadurch, daß ihre Vorfahren schöne Kunst gehabt hätten, die zu Handelsartikeln werden. „Mode kann jeder unvernünftige Einfall werden; wo Mode vorherrscht, ist es immer ein Zeichen von Mangel an Freiheitsbildung, ist immer ein Verderben der Nationen, ein Mittel zu leerem Luxus. Dagegen ist wahre Kunst, sowie wahre Wissenschaft, notwendige Bedingnis des vernunftgemäßen Menschenlebens. Denn es fragt sich, worin sich der Mensch wahrhaft vom Tier unterscheidet?“ Das Prinzip eines gebildeten Staates und seine Pflicht sei es demgegenüber, durch die Einsicht in die Natur der Dinge und die Ideale einen höheren Zustand zu erzeugen und zu befördern, „weil dadurch höheres Glück zugleich erwächst… Es gibt ein Gewissen des Staates, und ist dies recht fein fühlend, so erhöht es das Gewissen der Nation und der Individuen.“

Die harmonische Verschmelzung des Besten

Immer wieder beschäftigt Schinkel die Frage nach dem Ideal in der Baukunst und welcher Baustil dem Fortschritt der Zeit angemessen sei. Gleichzeitig zieht damit Resümee seiner eigenen Arbeit.

Um ein historisches Werk hervorzubringen, führt Schinkel aus, dürfe nicht abgeschlossenes Historisches wiederholt werden, weil dadurch keine Geschichte erzeugt werde, sondern es müsse etwas Neues geschaffen werden, welches im Stande sei, eine wirkliche Fortsetzung der Geschichte zuzulassen. Dabei müsse man an den geistigen Prinzipien der altgriechischen Baukunst festhalten, sie auf die Bedingungen der jeweiligen neuen Weltperiode erweitern, unter Berücksichtigung und harmonischen Verschmelzung des Besten aus allen Zwischenperioden. „Dazu gehört aber freilich ein Genie, welches sich niemand erringen kann, sondern das dem Beglückten vom Himmel her unbewußt zu Teil wird.“((Karl Friedrich Schinkel: Entwurf zu einer Begräbnishalle für Ihre Majestät die Hochselige Königin Luise von Preußen. 1810. In: Alfred von Wolzogen: Aus Schinkels Nachlaß. A. a. O.: Bd.3, Teil 2, S. 153 ff.))

Und ein Jahr vor seinem Tode beantwortet er die gleiche Frage noch einmal: Es werde darauf ankommen, einen Gegenstand zu erdenken und hinzustellen, der „das Schönste in Verhältnissen aus der vorhandenen Architektur zusammenfaßte und in seiner Reinheit hinstellte, daß man das Naive und Ursprüngliche griechischer Kunst vorzüglich darin charakterisierte oder das Erhabene, Vielfachgestaltete einer Mittelalterkunst eintreten ließe oder gar daß man sich von dem einseitigen Begriff lossagte, jeder dieser Stilarten allein und ganz gesondert hinzustellen, womit nur ein Geschichtliches erreicht wird, nicht aber was hier gesucht wird, sondern eine Verschmelzung, je nachdem der Charakter es fordert, zu gestalten; wobei freilich ein strenges Prinzip der Charakteristik der Hauptaugenmerk bleiben muß.“

Nur wenn ein Kunstwerk ein ganz neues Element in sich trage, auch wenn es im Charakter eines bekannten schönen Stils gearbeitet sei, werde es sowohl für den Schöpfer als auch den Betrachter ein wahres Interesse erzeugen. „Dies neue Element aber ist es,… welches das Mehr aus dem bestehenden heraustreten läßt und dadurch das Bestehende mit einer neuen Farbe verschmilzt und den Reiz eines lebendigen Geistes darüber ausgießt. „Der Geist“, schließt Schinkel seine Antwort, „ist frei und unberechenbar. Hätten wir ihn in einer Zeit ganz erfaßt und wäre keine Änderung weiter möglich, so wären wir am Ende des Erdenlebens, was wir noch weit hinausgestellt wünschen müssen.“((An den Kronprinzen von Baiern. In: Karl Friedrich Schinkel: Briefe, Tagebücher, Gedanken. A. a. O. S. 180 ff.))

Das neue Museum

„Wir verlassen eine schöne Musik mit reger Empfindung, ein schönes Gedicht mit belebter Einbildungskraft, ein schönes Bildwerk und Gebäude mit aufgewecktem Verstand…“ – dieser Ausspruch Schillers aus der „Ästhetischen Erziehung des Menschen“ könnte das Leitmotiv der Planungen Schinkels für seinen Museumsbau gewesen sein. Am Beispiel des Alten Museums, wie es heute genannt wird, weil es zwischenzeitlich das von Friedrich August Stüler entworfene Neue Museum gibt, werden die Konzepte Schinkels praktisch „in Stein gegossen“ deutlich. Das Bauwerk am Lustgarten gegenüber dem Stadtschloß, das aus der Zusammenarbeit Wilhelm von Humboldts, der ja selbst zu den engsten Freunden Friedrich Schillers gehört hatte, und Schinkels entstanden ist, macht in hervorragender Weise deutlich, welche Bedeutung beide Männer der Kunst als Wissenschaft zur Belehrung und zum Genuß durch die Verbreitung des Schönen beigemessen haben. Ein Museum müsse vorzüglich das wahrhaft Schöne in sich aufnehmen, „da nur dies den Geschmack eigentlich bildet und allein den eigentlichen Genuß gewährt.“

Dies war der Maßstab, und dieses Ziel wollte Schinkel durch die Architektur vermitteln.

Schinkels Konzeption zur Neugestaltung der Berliner Mitte, gesehen von den Linden auf die Schloßbrücke, wie er sie 1823 zeichnete. Links das neue Museum und der alte Dom, rechts das Schloß. Ganz links noch ein Teil des Zeughauses, in dem sich heute das Deutsche Historische Museum befindet.

Schinkel hatte schon 1816 bei seinen Entwürfen für die Neue Wache weitreichende Planungen vorgelegt, die den Lustgarten einschlossen, aber erst ab 1822 war er konkret mit dem Projekt eines neuen Museums beschäftigt, deren Grundstock die 1815 erworbene Giustinianische, die 1821 angekaufte Sollysche Kunstsammlung und Bilder der königlichen Schlösser bilden sollte. Wie er Friedrich Wilhelm III. in einem ausführlichen Bericht erläutert, ging es Schinkel darum, in einer schönen Gegend der Stadt einen schicklichen Platz zu finden, auf welchem das Museum ganz allein erbaut werden könnte – und „ein solcher sehr geeigneter Platz für den Bau des Museums findet sich am Lustgarten“.

Es geht Schinkel dabei nicht um die Errichtung eines neuen Gebäudes an und für sich, sondern dessen Einbindung in seine Umgebung und eine großräumige Neugestaltung. Das Gelände, um das es sich handelt, reicht vom heutigen Spreeufer am Zeughaus über den Lustgarten bis zum Berliner Dom (an dessen Stelle die von Schinkel teilweise neugestaltete Domkirche stand) und den zu den Linden gelegenen Schloßplatz bis zur Schloßbrücke. Verbreiterung des Spreearms, Regulierung der Flußufer und Neugestaltung der Hafenanlagen sollten die Freiheit der Schiffahrt vergrößern und den Transport erleichtern, durch den ungehinderten Straßenverkehr die Schloßbrücke und die Straßenanlage an Nützlichkeit gewinnen. Neben dieser Nützlichkeit durch die verbesserte Infrastruktur – erstmals war jetzt durch die große Straße die ununterbrochene Verbindung des Schlosses mit dem Brandenburger Tor am Eingang der Linden geschaffen worden – kam es Schinkel auf die Vollendung und Schönheit des Neubaus an, wobei man darauf zu sehen habe, „daß nicht statt des Einfachen und Großartigen das Dürftige entstehe, und der Platz statt verschönert, verunziert werde.“ An erster Stelle stand jedoch die Kostenersparnis, und tatsächlich hat Schinkel die bewilligte Summe von 793.500 Talern um nur ca. 10.000 Taler überschritten, worin jedoch die Kosten für Grundstückskäufe, Umbauten anderer Gebäude und Wasserbaumaßnahmen enthalten waren.

Die Anordnung des Gebäudes

Aufgrund des lockeren und feuchten Sandbodens und der absoluten Feuersicherheit wegen mußte der gewölbte Unterbau um einige Meter höher gelegt und ins Verhältnis zum ganzen Gebäude gebracht werden. Dies erklärt den Eindruck des hohen Standortes, wodurch zugleich die Bedeutung des Gebäudes betont wird, und die Notwendigkeit der Freitreppe zum Lustgarten hin, in der Schinkel jedoch eine große Zierde für den Bau sah. Um ihm einen würdigen Mittelpunkt zu verschaffen und den Platz für zwei Innenhöfe zu gewinnen, legte Schinkel einen Kuppelbau an, der zudem die Funktion hatte, dem tiefen Mittelgebäude Licht durch eine Öffnung von oben her zu geben. Im Inneren der als Pantheon aufgefaßten Rotunde sollte eine auf Säulen ruhende Galerie verlaufen, vorgesehen für die Aufstellung von Büsten und antiken Gegenständen. Diesen Raum sah Schinkel als das Heiligtum an, in welchem das Kostbarste des Museums bewahrt wird. So sollte der Eintretende durch den Anblick eines schönen und erhabenen Raumes für den Genuß und die Erkenntnis dessen empfänglich gemacht werden, was das Gebäude in sich bewahrt. Die äußere Front des Museums gegen den Lustgarten hin habe eine so ausgezeichnete Lage, sagt Schinkel, man könne sagen, die schönste in Berlin, daß dafür etwas ganz besonderes getan werden müsse: „Eine einfache Säulenhalle, in einem großartigen Stil und mit dem bedeutenden Platze im Verhältnis stehend, wird dem Gebäude am sichersten Charakter und schöne Wirkung geben.“ Um dieses rechte Verhältnis zu erreichen, konzipierte Schinkel die Größe der Säulen entsprechend der des alten Domes.

Der Kritik des der Baukommission angehörenden Hofrates Hirt noch einmal entgegensetzt, zieht Schinkel das Resümee, er habe bei seinem Entwurf einzig das Prinzip der Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit vor Augen gehabt und das Räumliche für den reinen Zweck der Sache genau ausgemittelt. Die Wahl der Verhältnisse und des Stils, die das Gebäude, aber auch seine Umgebung berücksichtigen, sei die Aufgabe des Künstlers. Betreffs der Größe der Rotunde bemerkt er abschließend, sie sei, wie die Wissenschaft lehre, dasjenige Gebäude, welches mit dem geringsten Umfange den größten Raum umschließe und ihre Konstruktion sei statisch die einfach-gesetzmäßigste unter den Konstruktionen bei weiten Räumen.

Zweck des Museums

Im August 1830 konnte der Schinkel-Bau als eines der ersten in Europa zur Aufnahme einer öffentlichen Sammlung bestimmten Museen eröffnet werden. Wilhelm von Humboldt leitete die Kommission für die innere Einrichtung des Museums, der im übrigen auch Schinkel, Rauch und Tieck angehörten. Er schildert die Aufgaben des Museums und seine sich daraus ableitende Gestaltung in mehreren Memoranden.((Ebenda, S. 189 ff.))

Die Rotunde des Alten Museums. Die zum ersten Mal in einem Museum vorgenommene derartige Säulenanordnung ermöglichte eine neue Aufstellung und Betrachtungsmöglichkeit der Statuen.

Zweck sei die Beförderung der Kunst, die Verbreitung des Geschmacks an derselben und die Gewährung ihres Genusses. „Wenn aber von Kunst die Rede ist, so muß man zuerst und hauptsächlich an die antike Skulptur und die Malerei in allen ihren Schulen und Epochen denken. Es sind dies die großen und sich natürlich zuerst darbietenden Gegenstände der Kunst, es sind diejenigen, an welche sich das natürliche Gefühl zunächst wendet und an denen es sich bis auf einen gewissen Punkt, frei von aller Gelehrsamkeit und selbst noch von tiefen Studien, prüfen kann; es sind daher die Objekte, welche vorzugsweise sowohl auf die Kunst als auf das Gefühle derselben in der ganzen Nation einwirken. Die Antiken und Gemäldegalerie müssen daher der Kern der Anstalt, ja eigentlich die ganze Anstalt selbst ausmachen, und der Organismus derselben muß zunächst auf sie und ihr Bedürfnis berechnet sein.“

Wie Humboldt betont, sei es Schinkel zu verdanken, daß zum ersten Mal in einem Museum durch die Säulenanordnung eine vollkommen neue Aufstellung der Statuen möglich geworden sei, die in keiner bisherigen Sammlungen existierte, jedoch den Griechen nicht fremd gewesen sei. Ihre Stellung an den Säulen gewährte den Statuen einen dunklen Hintergrund, auf dem sie sich abhoben, eine richtigere Beleuchtung und sie konnten, was besonders wichtig war, von allen Seiten betrachtet werden. Durch diese Aufstellung, die im übrigen von Schinkel, Rauch und Tieck vorgenommen worden war, durch die Benutzung und Verzierung der Wände, sei außerdem der Eindruck der architektonischen Einheit des ganzen Saales erhalten worden.

Die zweite wichtige Neuerung, die Schinkel einführte, betraf die Bildergalerie im oberen Stockwerk, die ca. 1200 Gemälde umfaßte. Ihre Hängung wurde nach systematischen Gesichtspunkten vorgenommen, und zu diesem Zweck wurden einzelne, durch Querwände gebildete Abteilungen in den Gemäldesälen gebildet. „Bei der hiesigen Einrichtung gewinnt man zugleich den Vorteil vortrefflicher Beleuchtung und heilsamer Absonderung solcher Gemälde, die es angemessen ist, nebeneinander vergleichend zu übersehen. Es wird nun möglich, auf jeder Wand um wenige Hauptbilder solche zu gruppieren, welche auf irgend eine Weise mit ihnen in Beziehung stehen.“ In den meisten anderen Gemäldegalerien, betont Humboldt, hätten die Architekten die wohltätige Beleuchtung der Gemälde der Schönheit großer und prachtvoller Säle aufgeopfert.

Humboldt berichtet weiter, daß Schinkel sich auch um die Einrahmung der Bilder gekümmert hat, die er ihrer Bedeutung und ihrem Zeitalter entsprechend versucht hat anzupassen. Die Anordnung der Gemälde sollte dem Zeck des ästhetischen Genusses und der künstlerischen Belehrung gehorchen. Deshalb mußte jedes Gemälde richtiges Licht erhalten, und es wurden an jeder Wand Hauptbilder ausgewählt, die die Aufmerksamkeit des Beschauers ungeteilt beschäftigen sollten. Vor allen Dingen mußte die Aufstellung so geschehen, wie die Bilder untereinander der Zeit und Schule nach zunächst verwandt waren, was die architektonische Einrichtung der Abteilungen in hohem Grade ermöglichte.

Gipssammlungen

Den Gipsabgüssen von Statuen, obwohl sie nicht in dem Museum aufgestellt werden konnten, weist Humboldt eine besondere Bedeutung bei, weil sie seiner Meinung nach das lehrreichste Hilfsmittel zum Studium der Kunst, als auch der Altertumskunde seien. Durch ihre chronologische und systematische Aufstellung könne man das merkwürdigste von allem, was das Altertum hinterlassen hat, in einem Raum versammeln. Humboldt empfiehlt dringend, die Sammlung zu vergrößern und einen Etat dafür zur Verfügung zu stellen. „Würde die Königliche Gipssammlung auf die oben erwähnte Art erweitert und vervollständigt, und erfreute sie sich alsdann einer systematischen Aufstellung in einem angemessenen Lokale, so böten diese Sammlung und die Gemäldegalerie für die Übersicht und das Studium der ganzen bildenden Kunst zwei Sammlungen dar, wie kein anderes Land dieselben besitzt“, bemerkt Humboldt abschließend.

Humboldts und Schinkels Bildungsgedanken, ihre Ansicht über die Funktion eines Museums und die Bedeutung der Kunst, und daß diese durch eine geeignete Präsentation vermittelt werden muß, ist von höchster Bedeutung und wurde zuletzt von dem Museumsgründer Wilhelm Bode verstanden, der versuchte, dieses Konzept in den Museen auf der Museumsinsel einzuführen.