Editorial

Am 21. September diesen Jahres kam es in Hongkong im Rahmen des Jahrestreffens des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zu einem historisch einmaligen Ereignis.

Vor den Augen der Weltöffentlichkeit erklärte der malaysische Ministerpräsident Dr. Mahathir Mohamad dem Megaspekulanten George Soros den Krieg, indem er die „skrupellose“ Politik von großen Investmentfonds angriff. Im Zuge der „Globalisierung“ und „Deregulierung“ der Finanzmärkte hätten diese mit ihrer Spekulation gegen nationale Währungen Gewinne in Milliardenhöhe gemacht und dabei ganze Nationen in ein „Armenhaus“ verwandelt.

„Wir wissen heute, daß – auf die gleiche Weise, wie der Crash der mexikanischen Wirtschaft inszeniert wurde – auch die Wirtschaft anderer Entwicklungsländer plötzlich manipuliert werden kann und sie gezwungen werden können, vor den großen Fondsmanagern in die Knie zu gehen, die heutzutage darüber entscheiden, wer prosperieren darf und wer nicht“, sagte Mahathir.

Genau aus diesem Grunde müsse sich die Gesellschaft „vor skrupellosen Profiteuren schützen. Ich weiß, daß ich ein Risiko eingehe, wenn ich das vorschlage, aber ich sage, Devisenhandel ist unnötig, unproduktiv und unmoralisch. Er sollte beendet werden. Er sollte für illegal erklärt werden. Wir brauchen keinen Devisenhandel.“

Was Malaysia vorgeworfen werde, sei, daß es „groß denke“, d. h. darüber nachgedacht habe, wie man auf der Grundlage von Wirtschaftswachstum anderen Nationen den Wohlstand bringen könne. Mahathir bezog sich dabei explizit auf das Projekt der „eurasischen Landbrücke“. „Wir haben die Entwicklung des Mekong-Deltas vorgeschlagen, angefangen mit der Eisenbahn von Singapur nach Kunming, weil wir wissen, daß Verkehr die wirtschaftliche Entwicklung stimulieren wird… Es (die eurasische Landbrücke, Red.) ist ein Großprojekt, aber kleine Projekte haben wenig Auswirkungen auf die Wirtschaft. Wir möchten den Anschluß an die Bahnstrecken von China, Zentralasien und Europa…“

So eine Rede hat es praktisch seit dem Treffen der Nichtpaktgebundenen Länder in Colombo 1976 – die damals ein Schuldenmoratorium und eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung forderten – und dann wieder seit der Mexikokrise 1982 nicht mehr gegeben. In der internationalen Presse schlug sie ein wie eine Bombe. Angeführt von der New York Times wurde versucht, Mahathir als Schwachkopf und Paranoiker hinzustellen.

Die Rede Mahathirs ist Ausdruck einer sich neu formierenden Allianz von Nationen, welche in der Suche nach Überwindung der gegenwärtigen Krise des Weltfinanzsystems immer lauter die Forderungen nach einer „gerechten Weltwirtschaftsordnung“ erheben. Im Zentrum dieser sich neu bildenden Allianz von Nationen steht die Wirtschaftstheorie LaRouches, insbesondere seine Vorschläge zur Reorganisierung des Weltfinanzsystems und die Forderung, der amerikanische Präsident Clinton möge, um unvorstellbares Chaos nach dem Crash abzuwehren und in Unterstützung von Großmächten wie zum Beispiel China und Indien, eine neue Bretton-Woods-Konferenz einberufen, um die Grundzüge eines neuen Weltfinanzsystems festzulegen.

Genau hierin liegt die Bedeutung, warum zwei Tage vor der Rede Mahathirs vor dem Weltbankforum in Hongkong das Wall Street Journal am 19. September auf der Titelseite einen Artikel veröffentlichte, in dem Mahathir mit dem amerikanischen Ökonomen und Staatsmann Lyndon LaRouche in Verbindung gebracht wurde. LaRouche stünde hinter den Attacken Mahathirs gegen Soros und den IWF, schrieb die Zeitung. Seine Zeitschrift EIR erfreue sich offensichtlich großer Beliebtheit in den Entwicklungsländern.

Es herrscht Panik in der Finanzoligarchie: 1. Weil LaRouche seit Jahren den kommenden Crash mit seinen Analysen korrekt vorhergesagt hat und die Finanzoligarchie weiß, daß sie keinen Plan für den Ernstfall hat. 2. Weil das Potential besteht, daß der Funke von LaRouches Ideen zur Reorganisierung des Welfinanz-

und Wirtschaftssystems auf andere Regierungen der Dritten Welt – aber vor allem auf führende Kreise in den USA – überspringen könnte.

Mahathirs Rede, die in Hongkong sowohl von den südostasiatischen Staaten wie auch China Unterstützung erfuhr und indirekt auch durch Japan, das mit seinem Vorschlag zur Schaffung eines „Asiatischen Währungsfonds“ Furore machte, muß vor dem Hintergrund der schweren Finanzkrise gesehen werden, die seit Juli die südostasiatischen Tigerstaaten (vor allem Thailand, Philippinen, Malaysia, Indonesien, Singapur) erfaßt hat und die sich nun wie ein Flächenbrand auf das gesamte Weltfinanzsystem ausweitet.

Und so sind wir, wie Lyndon LaRouche in einer Rede kürzlich erklärte, „an dem Punkt angelangt, wo das ganze System innerhalb von drei Tagen am Ende sein kann, sobald eine Krise einsetzt, die die spekulative Blase zum Platzen bringt. Wenn der Ernstfall eintritt, gibt es nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder man kommt um oder man gibt die Politik auf, die man bisher unterstützt hat – die liberale Wirtschaftsideologie, die grüne Politik, die nachindustrielle Politik, also all das, was man als Konsens akzeptiert hat… Die Geschichte beweist immer, daß, wenn eine Krise diesen Ausmaßes eintritt – wie Pearl Harbor oder der Crash von 1929 – dies einen Schock in der Seele der Bevölkerung auslöst, die zu einer Entscheidung in die eine oder andere Richtung führt. Entweder man geht vor die Hunde oder man arbeitet sich aus der Krise heraus. Und die Menschen werden plötzlich ihre Sichtweise und ihr Denken verändern.“

Genau auf diesen Moment, so LaRouche, müssen die Regierungen intellektuell und emotionell vorbereitet sein, so, als würden sie sich auf einen Krieg vorbereiten.

Ibykus veröffentlicht in dieser Ausgabe den zweiten Teil des von Lyndon LaRouche verfaßten Artikels „Leibniz vom Standpunkt Riemanns“, neben einem Artikel über die Philosophie des Augustinus, der die geistigen Grundlagen der christlich-europäischen Zivilisation schuf.

Auf G. W. Leibniz, aber auch auf den Arbeiten Cantors und Riemanns sowie den Ideen der Wirtschaftstheoretiker des „American System“ Henry Carey und Friedrich List aufbauend, hat der amerikanische Ökonom und Staatsmann Lyndon LaRouche die Wissenschaft der „physischen Ökonomie“ methodisch weiterentwickelt. Entgegen der feudalen Auffassung der Physiokraten, wonach der Reichtum der Gesellschaft von der Natur und dem Boden bestimmt ist, aber auch im Gegensatz zu der Auffassung der Freihandelslehre von Adam Smith, der den Reichtum der Gesellschaft im „Profit“ sah, der sich aus dem Prinzip des „billig Kaufen und teuer Verkaufen“ ergibt, und nicht zuletzt im Gegensatz zur Auffassung von Karl Marx, der den Reichtum der Gesellschaft in der Arbeit des hart arbeitenden Arbeiters lokalisierte, sieht LaRouche dem Reichtum der Gesellschaft einzig und allein in der „schöpferischen Erfindungskraft“ des Menschen begründet.

Das dem Menschen innewohnende Potential für schöpferische Vernunft findet seinen Ausdruck in wirksamen revolutionären Entdeckungen. Die innere Triebkraft der schöpferischen Vernunft und der daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Praxis ist Liebe, „Agape“. Es ist die Liebe zu Gott und den Menschen – eine augustinische Konzeption, die diametral entgegensteht der Auffassung der Aufklärungsphilosophen Locke, Hobbes, Mandeville und Adam Smith. Gemäß ihrem Menschenbild ist der Mensch ein Egoist, getrieben von Instinkten wie Hunger und Gier.

LaRouche mißt die Produktivität der Wirtschaft an dem, was er als „relatives Bevölkerungsdichtepotential“ bezeichnet. Die Funktion des „relativen Bevölkerungsdichtepotentials“ ist gemäß LaRouche das einzige Instrument, mit dessen Hilfe wir die Kreativität der menschlichen Gattung in ihrer praktischen Wirksamkeit messen können. So entwickelte sich die menschliche Gattung im Verlaufe der Geschichte und aufgrund des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts von einigen hundert Millionen auf 5,5 Milliarden Menschen. Dabei messen wir die Wirkung neuer, die Produktivität und Energiedichte verbessernder Erfindungen in ihrer Wirkung pro Kopf, pro Haushalt und pro Quadratkilometer Landfläche.

Im zweiten Teil seines Artikels zeigt LaRouche auf, daß Wirtschaftswissenschaft auf denselben Prinzipien der schöpferischen Metapherbildung aufbaut wie die klassische Kunst.

Dies läßt sich sehr direkt am Beispiel der menschlichen Geschichte aufzeigen. Wenn man zum Beispiel untersucht, was im Laufe der Geschichte der menschlichen Zivilisation zum Zusammenbruch der Gesellschaft geführt und was den Fortschritt der Gesellschaft und ihres Bevölkerungsdichtepotentials bewirkt hat, so trifft man auf einen Grundkonflikt, der die Geschichte der Menschheit bis heute bestimmt hat: Es ist der Gegensatz zwischen „oligarchischem Modell“ und „Republik“ – zwischen „dirigistischer“, d. h. „gerichteter“ Wirtschaftspolitik seitens des Staates und „radikalem Freihandel“. Beispiele oligarchischer Politik sind das babylonische, römische und byzantinische Empire. Hier war es das „oligarchische Modell“ mit seiner menschenverachtenden „malthusianischen“ Nullwachstumspolitik, welches den Zusammenbruch der Gesellschaft beschleunigte. Demgegenüber wurde mit Entwicklung des modernen Nationalstaats in der Zeit der Renaissance die Würde und schöpferische Erfindungskraft des Menschen in das Zentrum wirtschaftlichen Handelns gestellt, die vom Staat „geförderte“ und „gelenkte“ Investition in den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt zum Impuls für die Entwicklung der Menschheit.

Ob wir die Amerikanische Revolution gegen das britische Empire oder die Industrialisierung Deutschlands im 19. Jahrhundert oder auch den Wiederaufbau der USA unter F. D. Roosevelt und nicht zuletzt den Wiederaufbau Deutschlands nach dem Krieg nehmen, in jedem dieser Fälle wurden Adam Smith und die Phantasien des freien Marktes zurückgewiesen. Es waren Bedingungen des Wiederaufbaus, wobei der Staat dirigistische Maßnahmen ergriff, um die Produktivität der nationalen Ökonomie zu stimulieren.

Jetzt geht es darum, daß die Krise und der unvermeidbare Crash dazu benutzt werden, um die Menschheit zu größeren Aufgaben zu wecken, womit es möglich wird, daß mehr Menschen unter besseren Bedingungen auf dieser Erde leben und glücklich sein können.