Der Nahe Osten als strategische Schnittstelle

Die folgende Rede hielt der amerikanische Präsidentschaftskandidat Lyndon H. LaRouche am 5. Juni 2002 in Abu Dhabi auf einer Konferenz des „Zayed Centre for Coordination and Follow-Up“ über „Die Rolle von Erdöl und Erdgas in der Weltpolitik“.


Lyndon LaRouche, Zayed Centre
Als US-Präsidentschaftskandidat sprach Lyndon LaRouche beim Zayed Centre der Arabischen Liga. Bild: EIRNS

Die neuzeitliche Geschichte steht an einem Scheideweg: Sollte die Welt an der Richtung festhalten, die derzeit von meiner Regierung und einigen anderen Ländern eingeschlagen wurde, wird die Zivilisation für eine oder mehrere Generationen in ein weltweites „finsteres Zeitalter“ stürzen, das mit dem vergleichbar ist, das Europa vor mehr als 750 Jahren heimsuchte. Wir dürfen nicht so tun, als bestünde diese Gefahr nicht, und zugleich müssen wir uns mit aller Entschlossenheit der hoffnungsvollen Alternative zuwenden, die weise Regierungen vorzögen. Ich werde daher in aller Offenheit, aber durchaus optimistisch über eine zweite Wegscheide sprechen: den Nahen Osten.

Die Geschichte des Erdöls in dieser Region nahm mit den Plänen der britischen Marine ihren Anfang, aus denen der Erste Weltkrieg erwuchs. Das britische Empire beabsichtigte, sich mit Hilfe des in dieser Region gewonnenen Erdöls einen strategischen Vorteil zu verschaffen, indem es den Antrieb seiner Kriegsschiffe von Kohle auf Erdöl umstellte. Seit dieser Zeit wird diese Region, wie alle hier vertretenen Nationen wissen, vom Kampf der Großmächte um die Kontrolle der besonderen wirtschaftsstrategischen Vorteile aus der Erdölgewinnung geprägt. Aber es war nicht allein das Erdöl, das das Schicksal des Nahen Ostens prägte. Schon seit den Anfängen der bekannten Geschichte bildet der Nahe Osten die Schnittstelle zwischen Eurasien und Afrika, und genauso ist es heute. Auch ohne Erdöl bliebe die geschichtliche strategische Bedeutung des Nahen Ostens erhalten.

Derzeit gibt es unausgegorene Pläne, von denen einige auch bei den jüngsten Gesprächen zwischen meiner Regierung und Rußland zur Sprache kamen, die derzeitige, weltstrategische Abhängigkeit vom Erdöl des Nahen und Mittleren Ostens zu umgehen. Eine solche Politik würde die ohnehin explosive weltweite Währungs-, Finanz- und Wirtschaftslage noch chaotischer werden lassen. Ich kann nur hoffen, die entsprechenden Mächte davon überzeugen zu können, völlig inkompetente wirtschaftliche und geopolitische Impulse wie diese aufzugeben.

In jeder vernünftigen Bewertung der strategischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten wird der Nahe Osten aus offensichtlichen wirtschaftlichen Gründen mindestens für eine weitere Generation ein außerordentlicher Faktor der weltweiten Erdölversorgung bleiben. Aber wie in allen derzeitigen Weltangelegenheiten dürfen wir angesichts der verzweifelten heutigen Weltlage nicht so naiv sein anzunehmen, daß Mächte, die vielleicht groß, oder einfach nur einflußreich sind, deswegen auch vernünftig auf die entscheidenden strategischen Umstände der Lage reagieren.

Ich werde mich zwar auf das Thema Erdöl konzentrieren, meine Überlegungen aber in den Rahmen der geschichtlich gewachsenen strategischen Optionen für den Nahen Osten als entscheidende strategische Schnittstelle Eurasiens stellen. Anschließend werde ich wieder auf das Erdöl als solches zu sprechen kommen und dabei Förderung und Verkauf von Erdöl als einen derzeit entscheidenden Faktor von vitaler strategischer Bedeutung für den Nahen Osten als Region mit besonderen ökologischen und implizit kulturellen Eigenschaften berücksichtigen.

Ich möchte drei einzelne, aber in Wechselwirkung zueinander stehende Faktoren hervorheben, die bei dem Versuch berücksichtigt werden sollten, die Perspektiven der Region sowie des Erdöls vorauszusagen: die ökologischen, die wirtschaftlichen und die politisch-strategischen Faktoren.

Betrachten wir sozusagen von der Warte einer um die Erde kreisenden Raumstation die vergangene und gegenwärtige Ökologie dieses Teils der weltumfassenden Biosphäre. Vor unserem geistigen Auge erleben wir den langen historischen Prozeß des Schmelzens der großen europäischen Gletscher vor etwa 19.000 Jahren, als der Wasserspiegel der Ozeane noch etwa 120 Meter unterhalb des heutigen Niveaus lag. Betrachten wir die Evolution der Mittelmeerregion im folgenden Jahrtausend. Später erleben wir die Austrocknung der einstmals vegetationsreichen Regionen der Sahara, der Golfregion und Zentralasiens. Mit Hilfe dieses Zeitraffer-Panoramas werden wir auf sinnvolle Weise an eine Tatsache erinnert, die uns bereits bekannt ist: Der entscheidendste strategische und wirtschaftliche Aspekt in der gesamten heutigen Nahostregion als Ganzer ist keineswegs das Erdöl, sondern das Süßwasser. Ein Großteil der vorherrschend islamischen Kultur, die sich vom asiatischen „Dach der Welt“ westwärts bis zum Nahen Osten und weiter zum nördlichen Afrika erstreckt, wird durch den anhaltenden Kampf gegen die Dürre geprägt, die seit schätzungsweise sechs bis acht Jahrtausenden anhält.

Heute verfügen wir über das wissenschaftliche Potential, damit zu beginnen, einige der Folgewirkungen der großen Gletscherschmelze zu kontrollieren oder sogar ganz rückgängig zu machen. Hier liegt die wesentliche strategische ökologische Herausforderung, die die Verwirklichung eines ansonsten großen Potentials behindert, das in der arabischen Welt seit fast zwei Jahrtausenden vorhanden ist. In dem Maße, wie wir deutliche Fortschritte bei der Anwendung und Verbesserung der Süßwasserbereitung und -verteilung erreichen, werden andere wichtige Faktoren der Entwicklung wirksam werden. In diesem Fall wird das angelegte strategische Potential des Nahen Ostens als Schnittstelle Eurasiens zur Geltung kommen. Jede langfristige Prognose über die Perspektiven des Nahostöls muß vor dem Hintergrund dieser Herausforderung untersucht werden.

Nukleare Entsalzung Nahost
Karte mit vorgeschlagenen Entsalzungsanlagen im Nahen Osten – Wasserressourcen für den Frieden. Zugrundeliegende Karte: Wikipedia/JRC, DG, ECHO, EC

Der Ausbau der Frischwassererzeugung und -verteilung, die mit der Rolle des Erdöls verknüpft ist, bildet die unverzichtbare Grundlage aller anderen optimistischen Aussichten für eine friedliche und politisch stabile Entwicklung der Nahostregion. Wenn es den Menschen am Lebensnotwendigen fehlt, gibt es keinen Frieden. Sie werden wie die „Landräuber“ des mongolischen Weltreichs leben, die in früheren Zeiten aus Eurasien kommend bis nach Europa und in den Nahen Osten gespült wurden. Ohne ausreichende Wasserversorgung wird es keinen Frieden geben.

Das Konzept der Landbrücke

Das bringt mich zu den entscheidenden wirtschaftlichen Fragen. Hierzu betrachten wir das größte Wirtschaftspotential des Nahen Ostens in seiner Rolle als entscheidender wirtschaftsstrategischer Schnittstelle für Eurasien als Ganzes. Die strategische Bedeutung des Suezkanals als Verbindung zwischen dem Mittelmeerraum und dem Indischen Ozean ist zwar offensichtlich, doch ich will aufzeigen, warum die Überlandverbindungen durch den Nahen Osten weitaus wichtigere Verkehrsverbindungen für Eurasien sowie die afrikanisch-asiatische Anbindung darstellen.

Es ist eine einfache Buchhaltungsweisheit, daß die Transportkosten für ein Produkt auf dem Seeweg oder auf andere Weise mit den Kosten für die Produktion dieses Produkts bis zur Verladung verglichen werden müssen. Daher neigen wir dazu, Produkte wie Erdöl und Getreide, deren Preis pro Tonne relativ gering ist, auf dem langsameren, aber preisgünstigeren Seeweg zu transportieren. Je mehr qualifizierte Arbeit im Verlauf des Herstellungsprozesses als Wertsteigerung des Produktes hinzukommt, desto mehr verringert sich der prozentuale Anteil der Transportkosten am Wert des Produktes als Ganzem. Je mehr realer Wert im Verlauf der Produktion zu einem Roh- oder Halbfertigprodukt hinzukommt, desto größer ist die relative Prosperität für die exportierende Nation oder Region, die durch den Export dieses Produktes entsteht. Dies haben die größten Ökonomen und Staatsmänner der beiden Amerikas und Europas seit mehr als 150 Jahren verstanden.

Bis in die Neuzeit bildete der Transport auf dem Wasserweg die wesentliche Grundlage für den Fortschritt in den materiellen Lebensbedingungen der Menschen. Dies ging so bis vor etwa 170 Jahren, als der deutsch-amerikanische Ökonom Friedrich List ein Konzept ersann, aus dem sich die „Eisenbahn-Revolution“ entwickelte. Beschleunigt wurde diese Entwicklung durch den Ausbau eines transkontinentalen Eisenbahnnetzes in Amerika, das entscheidend dazu beitrug, die USA unter Präsident Abraham Lincoln zur weltweit führenden Wirtschaftsmacht zu machen. Nach 1876 wurden die gleichen „amerikanischen Methoden“, wie sie das amerikanische transkontinentale Eisenbahnsystem verkörperte, auch von Deutschland, Japan sowie von China und anderen Ländern übernommen.

Die Bestrebungen, den Atlantik über Schienenwege mit dem Pazifik in östlicher Richtung zu verbinden, so wie die USA den Atlantik mit dem Pazifik in westlicher Richtung verbunden hatten, wurden zugegebenermaßen vom britischen Empire als Bedrohung seiner strategischen Seeherrschaft verstanden; die beiden geopolitischen Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts waren die Folge. Und heute gibt es zudem eine einflußreiche „Utopisten“-Fraktion innerhalb der USA, die bereit ist, einen geopolitischen Krieg in Eurasien anzuzetteln, um die Entwicklung des asiatischen und afrikanischen Festlandes zu verhindern. Die Geopolitik steht im krassen Gegensatz zu allen vernünftigen Definitionen amerikanischer Wirtschaftsinteressen, die derzeit durch den Zusammenbruch des weltweiten Finanz- und Währungssystems zugrunde gerichtet werden. Diese Politik wird jedoch leider von einigen derzeit sehr einflußreichen Kreisen betrieben.

Wie auch immer die amerikanische Politik derzeit aussehen mag, die Realität der derzeitigen Weltwirtschaftskrise wird in der näheren Zukunft vermutlich einige grundlegende Änderungen in der amerikanischen Politik und Denkweise erzwingen. Ohne eine enge Zusammenarbeit bei der Entwicklung des eurasischen und afrikanischen Kontinents auf der Grundlage des Überlandverkehrs gibt es keine Hoffnung für einen Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft aus der derzeitigen Weltwirtschaftskrise. Wenn die USA tatsächlich einen Ausweg aus den unvermeidlichen baldigen Desastern finden sollten, die durch die derzeitige Politik hervorgerufen werden, muß dabei der Nahe Osten eine besondere Rolle spielen.

Der Lösungsansatz für diese strategische Krise liegt nicht beim Erdöl als solchem, sondern in der Art und Weise, wie die Erdölförderung und -vermarktung den tieferen langfristigen Interessen der Region dienen kann. Stabile Regierungen innerhalb der Region sowie stabile Beziehungen zu Gebieten außerhalb der Region bilden die erste Verteidigungslinie gegen jene Kräfte und andere Gefahren, die die Region derzeit bedrohen. Die zentrale Bedeutung der Verkehrsinfrastrukturentwicklung ist ein wichtiges Beispiel für die erforderlichen Verteidigungsmaßnahmen.

Der besondere Vorteil moderner Eisen- oder Magnetbahnen im Vergleich zum Schiffstransport liegt in der elementaren Tatsache, daß von wenigen Ausnahmen abgesehen die auf dem Wasserwege beförderten Güter während des Transportes als solchem keine Verbesserung erfahren. Unter den richtigen Bedingungen stellen Verkehrskorridore, die auf moderner Eisenbahn- oder Magnetbahntechnik beruhen, im Endeffekt billigere und schnellere Transportwege als das Wasser dar. Wie sich am Beispiel der anfänglichen transkontinentalen Bahnverbindungen Amerikas zeigen läßt, waren diese Routen nicht nur reine Verkehrswege. Das Eisenbahnsystem verwandelte praktisch wirtschaftliches Brachland in reiche Regionen mit starker wirtschaftlicher Entwicklung. Die Investitionen für jeden Kilometer Eisenbahnstrecke entlang den Haupt- und Nebenstrecken erzeugten einen Nettogewinn an landwirtschaftlichen, mineralischen und industriellen Gütern, der die Kosten für den Bau und den Erhalt des Systems bei weitem überstieg.

Lyndon LaRouche in Sudan
Lyndon LaRouche im Dezember 1994 auf einer Nilbrücke im Sudan. Bild: EIRNS

Anstatt sich nur vorzustellen, zwei Punkte über eine weite Entfernung mit einer Eisenbahn- oder Magnetbahnlinie zu verbinden, betrachte man einen solchen Verkehrsweg lieber als das Rückgrat eines Entwicklungskorridors von etwa 50 bis 100 Kilometern Breite. Parallel zu dieser Hauptader verlaufen die Hauptversorgungslinien für Wasser und Energie. An geeigneten Stellen entlang der Hauptverkehrsader werden agroindustrielle Komplexe und Wohnanlagen errichtet. Vorgelagerte Komplexe dieser Art können auch an anderen Stellen innerhalb des Korridors entstehen. Was ich hier nur kurz zusammengefaßt habe, entspricht der modernen Version einer Methode, welche die landwirtschaftliche und industrielle Revolution in den USA vor etwa anderthalb Jahrhunderten hervorbrachte.

In der gleichen Art läßt sich unter Einsatz bereits existierender oder demnächst verfügbarer Technologien das Hinterland Asiens, einschließlich der Wüsten und Tundras entwickeln.

Bei einer vernünftigen Politik liegen die Nettokosten solcher Entwicklungskorridore unter Null. Wenn Güter durch die Hauptverkehrsadern des Korridors befördert werden, wird neuer Reichtum in der Umgebung jedes der agroindustriellen Knotenpunkte entlang der Route geschaffen.

Betrachten wir nun die Kernregion der arabischen Welt vom Atlantik bis zu den Grenzen des Iran, der Türkei und des Transkaukasus. Richten wir dabei unsere Aufmerksamkeit auf den Suezkanal und den Sinai, wo sich Afrika und Asien treffen. Betrachten wir den Seeverkehr zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean sowie das Netz wichtiger natürlicher Möglichkeiten für Landentwicklungskorridore, die sich mit den Seehäfen kreuzen. Dazu berücksichtige man das Transportvolumen an Rohstoffen und Halbfertigprodukten, die von Asien aus nach Westen und von Europa aus nach Osten in den Nahen Osten befördert werden.

Der Nahe Osten ist heute noch so, wie er es prinzipiell schon seit Jahrtausenden gewesen ist – selbst schon lange vor dem Bau der großen Pyramiden in Ägypten. Die Region war und bleibt eine der großen natürlichen Kreuzwege in der Entwicklung der Kultur und Zivilisation.

Ich betone noch einmal: Jedesmal, wenn wir Rohstoffe und Teile in Halbfertig- oder Fertigprodukte verwandeln, senken wir den prozentualen Anteil der Transportkosten an den Gesamtkosten dieses Produktes. Der Nahe Osten verkörpert eine der natürlichsten strategischen Orte, die sich für die Konzentration von Handel und Produktion anbieten. Er sollte keine reine Durchgangsstation für Güter sein, sondern beim Prozeß der weltweiten Erzeugung (realwirtschaftlichen) Reichtums eine seiner strategischen Bedeutung entsprechende Rolle einnehmen.

Was wird unter diesen Bedingungen mit dem Erdöl des Nahen Ostens geschehen? Es wird zu einer natürlichen Veränderung des Verbraucherverhaltens kommen. Der eigene Verbrauch wird sich im Zuge der produktiven Entwicklung ausweiten. Zugleich werden Erdöl und Erdgas zunehmend als Rohstoffgrundlage für die Produktion, vor allem auch im Nahen Osten selbst eingesetzt werden.

Die strategischen Fragen

Was sind nun die Aussichten für das Erdöl des Nahen Ostens in der Zukunft? Wir müssen uns in diesem Zusammenhang drei Fragen stellen:

  1. Welche Alternativen stehen überhaupt zur Verfügung?
  2. Welche dieser Alternative wird wahrscheinlich und vom wem gewählt? Und
  3. wird das Ergebnis ein Erfolg oder eher eine Katastrophe der gleichen Art sein, wie sie die seit 35 Jahren praktizierten politischen Veränderungen darstellen, durch die die USA und Europa die Welt an den Rand der derzeitig drohenden weltweiten Katastrophe gebracht haben?

Wenn sich die Vernunft durchsetzt, wird die Welt das Scheitern des Währungssystems auf der Grundlage freier Wechselkurse zwischen 1971 und 2002 mit dem erfolgreichen System fester Wechselkurse vergleichen, das in der Zeit zwischen 1945 und 1965 vorherrschte. Wenn die Vernunft Oberhand behält, sollten die wichtigsten Aspekte des Währungssystems der Zeit zwischen 1945 und 1965 in die Bemühungen um eine weltweite Reform des Währungs- und Finanzsystems integriert werden. In diesem Fall sollten wir ein protektionistisches System fester Wechselkurse auf Goldreservebasis ähnlich dem der Zeit zwischen 1945 und 1965 baldmöglichst aufbauen.

Während der vergangenen etwa 35 Jahre wurden die USA, England und andere vormals gesunde Industrienationen durch die absurde utopische Illusion einer „nachindustriellen“ oder „Konsumgesellschaft“ zugrunde gerichtet. Diese utopische Politik führte 1971 zur Zerstörung des Weltwährungs- und Finanzsystems, als die amerikanische Führung das erfolgreiche Währungssystem der Zeit von 1945 bis 1965 verließ und damit eine Lawine der Zerstörung jener Regulierungssysteme auslöste, von denen eine stabile wirtschaftliche Entwicklung und Prosperität abhing.

Heute ist das nach 1971 entstandene Währungs- und Finanzsystem hoffnungslos bankrott. Die Illusion der „New Economy“ bricht in einem unvermeidlichen Kollaps zusammen. Vor mehr als 35 Jahren veränderten die USA und Großbritannien auf eine Weise die Weltpolitik, die sich jetzt als schrecklicher Fehler erweist. Es ist an der Zeit, diesen Fehler zu korrigieren, zu bewiesenermaßen gesunden Prinzipien und zur Zusammenarbeit beim Bemühen um den dringend erforderlichen weltweiten Wirtschaftsaufbau zurückzukehren.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen des allgemeinen Bankrotts des Weltfinanzsystems und parallel zu einer umfassenden Reorganisation der bankrotten Werte wird der entscheidende Faktor des Aufschwungs die Schöpfung neuer, niedrig verzinster, langfristiger Kredite sein, die in der ersten Phase hauptsächlich in Programme des langfristigen Aufbaus der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur fließen müssen. Diese Infrastrukturinvestitionen werden dann eine Ausweitung der landwirtschaftlichen und industriellen Entwicklung nach sich ziehen. Investitionen dieser Art müssen zum großen Teil von vollkommen souveränen Nationalstaaten bereitgestellt werden, wobei niedrige Zinsen und Laufzeiten von einem Vierteljahrhundert oder noch länger die Regel sind.

Unter diesen Bedingungen müssen weit mehr hochwertige Technologien in jene Regionen und Zentren der Welt fließen, wo es nicht genügend technologische Innovationen gibt.

Als Teil dieser Bemühungen sollten wir auf mittel- und langfristige Abkommen über die Festsetzung gerechter Preise für bestimmte Klassen von Gütern vor allem im Welthandel hinarbeiten. Dieses System gerechter Preise soll auch für Energieressourcen wie das Erdöl gelten, das in einer sehr empfindlichen Beziehung zur weltweiten Kreditzirkulation steht. Ein gerechter Preis meint den Preis, zu dem die Liefernationen das für die Weltwirtschaft wichtige Produkt weiterhin gewinnträchtig in guter Qualität und Quantität bereitstellen können. Stabile Preise bei wichtigen Rohstoffen wie Petroleum stellen zusammen mit langfristigen niedrigen Nominalzinsen auf internationale Kreditflüsse eine entscheidende Notwendigkeit dar, wenn ein anhaltender Aufbauprozeß erreicht werden soll.

Diese Maßnahmen sind keine Geschmacksfrage, sondern eine Überlebensfrage. Wenn ein Schiff sinkt, sagt in der Regel kein vernünftiger Passagier: „Aber ich will nicht in einem Schlauchboot gesehen werden.“

Man könnte jetzt einwenden, daß wir heute in kriegerischen Zeiten und nicht im Frieden jener Zeit leben, als 1945–65 das Finanzsystem aufgebaut wurde. Dieser Einwand ist zwar richtig, aber wenn Nationen nicht willens sind, die institutionellen Vorbedingungen eines anhaltenden Friedens etwa in wirtschaftspolitischer Hinsicht zu legen – und dazu gehören auch wichtige wirtschaftliche Voraussetzungen – stehen wir, was die nähere Zukunft angeht, vor einer schier hoffnungslosen Situation. Dann wäre es tatsächlich besser, die Rettungsboote zu besteigen. Der erste Schritt besteht darin, zumindest die einfache Tatsache anzuerkennen, daß das Schiff – das von Kriegen geschüttelte derzeitige Weltfinanz- und -währungssystem – unrettbar verloren ist. Dann ergreifen vielleicht Regierungen und andere endlich die geeigneten Maßnahmen in Richtung Frieden und Prosperität.

Diskussion (Auszug)

Mitarbeiter des Zayed Centre: „Sie haben einige amerikanische Kreise beschuldigt, daß sie hinter den Anschlägen vom 11. September stecken. Könnten Sie dies und Ihre Meinung über Osama bin Laden erläutern? Meine zweite Frage lautet: Wie interpretieren Sie die amerikanische Voreingenommenheit gegenüber Israel, was die Araber angeht? Glauben Sie, daß die Ursache für diese Voreingenommenheit die Vorherrschaft der zionistischen Lobby ist?“

LaRouche: „Was am 11. September geschah, wäre nicht möglich gewesen ohne die Duldung von Leuten auf hoher Ebene innerhalb der Militärführung der Vereinigten Staaten. Sie erinnern sich vielleicht, daß Präsident George Bush am 10. September noch entschlossen war, sich für die Gründung eines palästinensischen Staates einzusetzen… Ich war mitten in einer Radiosendung, als der Anschlag stattgefunden hat. Ich sagte: ,Ich hoffe, irgendein Idiot gibt nicht Osama bin Laden die Schuld, der so etwas nie getan haben kann. Selbst wenn er die Absicht gehabt hätte, hätte er es nicht tun können.‘ Das ist der erste Punkt: Es gab innerhalb der USA eine Operation, die den Effekt erreichen sollte, den wir gesehen haben.

Die Vereinigten Staaten haben sich auf eine Art von Krieg eingelassen, den ich ablehne. Es ist ein globaler Krieg – ein Krieg des Kampfes der Zivilisationen, wofür die Scharon-Regierung in Israel ein sehr wichtiger Auslöser ist. Die Bombardierung von Afghanistan hat dazu beigetragen, die Dinge zu verkomplizieren. Die Drohung, den Irak zu bombardieren oder anzugreifen, macht es noch komplizierter. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem ich die Gefahr eines Krieges der Zivilisationen im Stil des Römischen Reiches sehe, der sehr schnell auf ganz Eurasien übergreifen könnte. Ich kann nicht beweisen, wer die Täter waren, aber ich weiß, welche Gruppe es getan hat: die Gruppe von Brzezinski und Huntington. Diese Gruppe beabsichtigte, den Vereinigten Staaten diese Politik aufzudrängen und das Instrument des Staatsterrors einzusetzen, um die Regierung und die Bevölkerung der Vereinigten Staaten einzuschüchtern. Sie sollen diese Art von Politik akzeptieren, die sonst nicht durchsetzbar wäre.

Osama bin Laden ist für mich nicht von Bedeutung. Er hatte eine gewisse Bedeutung, als er für die Vereinigten Staaten und die Briten arbeitete. Aber ich glaube nicht, daß er jetzt irgendeine Bedeutung hat.“

Frage: „Sie riefen zur Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und den ölproduzierenden Ländern des Nahen Ostens auf, und Sie haben viele Lösungen vorgeschlagen. Aber wenn das in die Tat umgesetzt werden soll, wissen wir nicht, wie eine solche Zusammenarbeit zwischen Europa, den Vereinigten Staaten und dem Nahen Osten aussehen soll, angesichts der undurchsichtigen Politik der Vereinigten Staaten und des Doppelstandards bei der Lösung von Problemen, insbesondere des Palästina-Problems, und der Spannungsherde in ganz Asien. Wie könnte eine solche Zusammenarbeit angesichts der Unklarheit der amerikanischen Haltung erreicht werden?“

LaRouche: „Sehr gut. Das ist genau der jetzige Zustand. Das Problem ist folgendes: Die Mehrheit der Westeuropäer lehnt das, was Israel tut, völlig ab. Und auch die Politik der USA gegenüber dem Nahen Osten, wie sie derzeit betrieben wird. Aber die Europäer haben keinen Mut. Vielleicht einige hier und da, die sich zu Wort melden. Aber wenn die Vereinigten Staaten etwas sagen, hört man aus dem Vereinigten Königreich und vor allem aus Kontinentaleuropa: ,Ja, Vater, wir hören.‘

Aber es gibt so etwas wie ein lebenswichtiges Interesse. Nehmen Sie Westeuropa und den Nahen Osten. Das vitale Interesse Europas liegt nicht nur im Nahen Osten als solchem. Ich sprach vom Nahen Osten als dem Kreuzungspunkt von Eurasien und Afrika. Wenn in der islamischen Welt ein solches Chaos herrscht, das dort entfesselt werden soll, wo kann man dann in Eurasien Frieden finden? Damit Frieden und wirtschaftliche Entwicklung in Eurasien entsteht, dürfen China, Indien, Pakistan und Rußland nicht gegeneinander kämpfen. Dann kann man andere Nationen einbeziehen und sie zur Zusammenarbeit bewegen. Aber solange es diese Krisenherde gibt, kann man keinen Frieden haben.

Wenn der Kampf gegen den Islam anhält – es ist ein Kreuzzug gegen den Islam, um den es hier geht –, dann hat Europa keine Chance, denn Europa kann sich aus der Wirtschaftskrise nur durch die Märkte in Asien befreien – vor allem in Asien, im Nahen Osten, einschließlich der Türkei und des Irans. Wenn diese Region destabilisiert wird, hat Europa keine Chance. Daher ist es Europas vitales Interesse, daß im Nahen Osten Frieden herrscht. Alle europäischen führenden Politiker, mit denen wir gesprochen haben, sei es in Italien, in Deutschland oder in Frankreich, sind sich darin einig, daß der Frieden im Nahen Osten ein dringendes, strategisches Gebot für Europa ist, wirtschaftlich und anderweitig. Sonst kein Afrika, kein Asien.

Aber die Amerikaner sagen: ,Wir regieren die Welt, und die Briten unterstützen uns – zumindest Tony Blair.‘ Andere Briten stehen dem aus dem einen oder anderen Grund sehr kritisch gegenüber.

Noch ein weiteres: Was wird jetzt passieren? Und warum bin ich so optimistisch? Weil das Finanz- und Währungssystem zusammenbricht. Unter diesen Bedingungen haben die Vereinigten Staaten nicht die Macht, die Dinge zu tun, die sie zu tun gedenken. Die Vereinigten Staaten sind wie das Römische Reich am Ende seiner Macht, das System kollabiert.

Ja, die Vereinigten Staaten sind immer noch eine potentiell mächtige Nation. Aber nicht mit ihrer kranken Wirtschaft. Um aus diesem Schlamassel herauszukommen, muß es zu Vereinbarungen mit anderen Nationen kommen, insbesondere mit Europa und Japan, und vor allem mit den asiatischen Ländern. Dann können wir aus diesem Chaos herauskommen. Wenn ich Präsident der Vereinigten Staaten wäre, könnten wir morgen die Krise hinter uns lassen. Denn wenn der Präsident der Vereinigten Staaten andere Nationen zusammenruft und sagt: ,Wir treffen uns morgen früh, denn wir haben eine Wirtschaftskrise und müssen Sofortmaßnahmen ergreifen‘, würden die Nationen kommen. Sie würden laut protestieren, aber sie würden kommen. Sie würden zustimmen, und wir hätten ein neues System – kein perfektes System, aber ein System das es uns ermöglichen wird, die Weltlage zu stabilisieren.

Unter diesen Bedingungen würde Europa, das eine fast nutzlose Stimme in dieser Angelegenheit ist, plötzlich eine sehr wichtige Stimme werden, denn Europa wäre dann in der Lage, seine Interessen durchzusetzen.“