Wenn die Welt auf Lyndon LaRouche gehört hätte…

Die Welt, so wie wir sie jahrzehntelang in Europa und den USA zu kennen geglaubt und als selbstverständlich angenommen haben, liegt in Scherben. Das Undenkbare, die Möglichkeit eines dritten großen – diesmal thermonuklearen und letzten – Krieges, ist in bedrohliche Nähe gerückt. Die wirtschaftliche Basis unserer Gesellschaft und unseres relativen Wohlstands sieht sich Erschütterungen gegenüber, deren Ausmaß nicht einmal annähernd abzusehen ist. Die über Jahrhunderte geformten Werte, die die Grundlage unserer kulturellen Identität ausmachen, werden von ideologiebesessenen Hyänen hinweggefegt, die sich dabei auch noch auf eine „regelbasierte Ordnung“ berufen. Wir befinden uns tatsächlich in einer „Zeitenwende“, einer ganz anderen Art allerdings, als sie aus den Redaktionsstuben einheitlich verkündet wird.

Allerdings ist die vielschichtige Krise nicht wie ein Unwetter plötzlich über uns hereingebrochen. Es gibt eine Person, die diese Entwicklung vor ziemlich genau einem halben Jahrhundert prognostiziert und die diese Warnung nicht nur an entscheidenden Wegscheiden in den folgenden Jahrzehnten wiederholt, sondern auch jedesmal gangbare Alternativen vorgeschlagen hat. Diese Person ist Lyndon LaRouche, dem diese Ausgabe des Ibykus anläßlich des Jahrestags seines 100. Geburtstags gewidmet ist. Auch wenn es den einen oder anderen Leser überraschen mag: Wir würden uns heute nicht in dieser existentiellen Krise befinden, wenn genügend viele Kräfte vor allem in den USA und auf andere Weise auch in Europa rechtzeitig auf ihn gehört hätten.

Die wahrscheinlich wichtigste und weitsichtigste Prognose formulierte LaRouche als Reaktion auf die Entscheidung Präsident Nixons am 15. August 1971, das Bretton-Woods-System der Nachkriegszeit de facto zu beenden und durch ein System flexibler Wechselkurse zu ersetzen. Eine Fortsetzung dieser auf reine Profitmaximierung angelegten monetaristischen Politik werde unweigerlich zu einer neuen Depression, einem neuen Faschismus und einem neuen Krieg führen, oder es müsse eine völlig andere Wirtschaftsordnung etabliert werden, schloß LaRouche damals. Heute, 51 Jahre später, befindet sich die Welt genau an diesem Punkt.

In den folgenden Jahrzehnten veröffentlichte er nicht nur Tausende Analysen über die sich Schritt für Schritt aufbauende Krise, sondern ebenfalls immer wieder neu ausgearbeitete und auf die spezifische strategische Situation ausgerichtete Lösungsvorschläge, wie eine andere Richtung hätte eingeschlagen werden können. Sein erster umfassender Vorschlag, die neokolonialistische Politik von IWF und Weltbank zu ersetzen, war sein Konzept der Internationalen Entwicklungsbank (IEB) von 1975, die das Ziel hatte, langfristige Investitionen mit niedrigen Zinsen in Projekte in den Entwicklungsländern zu finanzieren. Ein Jahr später wurde dieses Konzept inhaltlich von der Konferenz der Blockfreien Bewegung auf ihrer Konferenz in Colombo – und damit von drei Vierteln der Menschheit – übernommen.

Und was war die Reaktion des „Westens“? Die Zentralbank eines europäischen Landes führte nach eigener Aussage eine Machbarkeitsstudie zu LaRouches IEB durch und kam zu dem Ergebnis, daß sein Vorschlag für ein neues auf Entwicklung des Globalen Südens orientiertes Kreditsystem hervorragend funktionieren würde, man es aber auf keinen Fall übernehmen werde. Es entspräche nicht den Zielen der Bank. Statt dessen wurde eine international koordinierte Destabilisierung gegen jene Staatschefs eingeleitet, die sich in Colombo für eine neue Weltwirtschaftsordnung eingesetzt hatten. Sie wurden auf die eine oder andere Weise aus dem Amt vertrieben: Präsident Juan Velasco Alvarado von Peru, Premierministerin Indira Gandhi von Indien, Premierministerin Sirimavo Bandaraneike von Sri Lanka und Premierminister Ali Bhutto von Pakistan, der sogar einem politischen Mord zum Opfer fiel.

Das Momentum für eine gerechte neue Weltwirtschaftsordnung, das damals in der Blockfreien Bewegung existierte, war damit für über vier Jahrzehnte gebrochen und ist erst in den letzten paar Jahren dank der chinesischen Seidenstraßen-Initiative wieder auf die Tagesordnung gerückt. Wäre die IEB in den 1970er Jahren verwirklicht worden, um seitdem fast ein halbes Jahrhundert lang den Aufbau des Entwicklungssektors systematisch zu finanzieren, wären die Armut und die Unterentwicklung dort längst überwunden.

Aber auch der sogenannte „Westen“, also die USA und Europa, befänden sich nicht in dem kläglichen Zustand, in dem sie heute sind, hätten genügend Kräfte auf LaRouches Analysen und programmatische Ideen reagiert. LaRouche nahm insgesamt achtmal am amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf teil. Als von ihm unterstützte Kandidaten 1986 die Vorwahlen in Illinois gewannen, setzte das US-Establishment den Justizapparat gegen ihn in Gang und fädelte eine rechtliche Hexenjagd gegen ihn ein, die der frühere US-Justizminister Ramsey Clark als den größten ihm bekannten Machtmißbrauch über einen längeren Zeitraum in den USA bezeichnete. Wäre LaRouche Präsident geworden und hätte er seine Programme für die USA umsetzen können, wären die USA heute ein wirtschaftlich gesundes Land mit großem Ansehen in der Welt, weil sie in einer gleichberechtigten Partnerschaft mit anderen Staaten mitgeholfen hätten, die Armut in der sogenannten „Dritten Welt“ zu überwinden. Längst wären die großen Aufgaben der Menschheit in Angriff genommen und realisiert worden, wie die technologische Verwirklichung und kommerzielle Nutzung der Kernfusion, die Erschließung des nahen Weltraums, die beschleunigte Überwindung heute noch unheilbarer Krankheiten, um nur einige Aspekte zu nennen, und vor allem eine Renaissance der klassischen Kultur.

Es gibt keinen Zweifel, daß das angloamerikanische Establishment Lyndon LaRouche als die größte Bedrohung für ihr System angesehen hat, und das offensichtlich nicht, weil er über große Reichtümer oder politische Macht im herkömmlichen Sinn verfügte. Das Establishment fürchtete ihn, weil er mit untrüglichem Scharfsinn den Charakter des oligarchischen System erkannt und seine Wirkung über die Jahrtausende der Geschichte hin beschrieben hatte – bis zur jüngsten Manifestation dieses Systems, dem LaRouche den Spiegel vorhielt. Das Establishment dieses oligarchischen Systems ist aus exakt den gleichen Gründen gegen ihn vorgegangen, warum sie auch Sokrates beseitigen wollten.

Zahlreiche Zeitgenossen, die LaRouche persönlich kennengelernt haben, drückten ihr Erstaunen und ihre Bewunderung darüber aus, daß er ein Mensch mit dem umfangreichsten Universalwissen war, das sie je in einer Person angetroffen hatten. Er belebte wie kein anderer Denker seiner Zeit das Wissen über die platonische Tradition in Philosophie und Wissenschaft ebenso wie die klassische Methode in den Künsten. All das kann der interessierte Leser nun selbst nachprüfen, denn die „LaRouche Legacy Foundation“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, die mehre tausend Artikel sowie Video- und Audio-Produktionen von LaRouche der internationalen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Ein weiterer Aspekt seines enorm produktiven Wirkens, das viel schwieriger darzustellen ist, bleibt seine inspirierende Wirkung auf viele Tausende Menschen, mit denen er im Laufe seines langen Lebens in Kontakt gekommen ist bzw. die mit ihm auf verschiedene Weisen kooperiert oder interagiert haben. Wie kein anderer Mensch, den ich je kennen gelernt habe, wußte er in jedem den kreativen Funken zu entfachen, der demjenigen einen neuen Aspekt an Einsicht oder einen höheren Grad an innerer Freiheit verschaffte, der mit ihm zu tun hatte. Ich habe gleichfalls niemals einen geistig großzügigeren und selbstloseren Menschen kennengelernt.

Obwohl das genannte Establishment die wahrscheinlich weitreichendste Operation inszeniert hat, die je gegen eine Person unternommen wurde, die nicht Oberhaupt eines Staates war, ist es ihnen nicht gelungen, seinen Einfluß einzudämmen und wenn möglich auszumerzen. Die Ideen von LaRouche leben heute weiter in der Neuen Seidenstraße, in der entstehenden neuen Weltwirtschaftsordnung durch die Nationen des Globalen Südens, die entschlossen sind, die Fesseln des Kolonialismus endgültig abzustreifen. Seine Ideen leben ebenso in den Köpfen einer erstaunlich großen Anzahl von Individuen in vielen Ländern dieser Welt weiter, die angesichts der politischen und strategischen Lage bestürzt erkennen, wie recht LaRouche gehabt hat.

Es bleibt also uns noch Lebenden überlassen, ob wir die Lehren aus all dem ziehen. Die Lösungsvorschläge, die LaRouche uns hinterlassen hat, sind heute ebenso gültig und aktueller als je zuvor. Wir sollten mit dem unerschütterlichen Optimismus, der ihn auch auszeichnete, daran gehen, uns auf die neue Welt zu beziehen, die im Globalen Süden am entstehen ist. LaRouche wird unsterblich leben, so wie Sokrates triumphiert.