Dialog zwischen den Kulturen: Der Weg zum Frieden

Lyndon LaRouche hat diesen Aufsatz für eine Konferenz verfaßt, die vom 14. bis 17. Januar 2001 in der sudanesischen Hauptstadt Khartum stattfand, gemeinsam veranstaltet vom sudanesischen Informations- und Kulturministerium, dem Zentrum für strategische Studien des Sudan, EIR und dem Schiller-Institut. Titel der Konferenz war „Frieden durch Entwicklung entlang des Niltals im Rahmen einer neuen, gerechten Weltwirtschaftsordnung“.


Bild: EIRNA
Lyndon LaRouche bei seiner Rede auf der Konferenz in Khartoum 2001.

Viele Menschen entschuldigen ihre mangelnde Entschlossenheit, die bestehende Politik zu ändern, allzu oft mit dem Argument, daß sich die Geschichte immer zu wiederholen scheint. Tatsächlich hat die Menschheit in fast jeder Krise über das Potential und die moralische Verantwortung verfügt, den Lauf der Geschichte zum Besseren zu wenden. So ist es auch im gegenwärtigen Moment der schweren internationalen Finanz- und anderen Krisen. Wir stehen heute wieder einmal vor der Herausforderung, unser Schicksal durch einen entsprechenden menschlichen Willensakt zu ändern. Die Nationen haben in einer relativ kurzen Zeitspanne noch Gelegenheit, dafür zu sorgen, daß sich die gegenwärtig drohende Gefahr von Religionskriegen und eines neuen finsteren Zeitalters nicht wiederholt, welche den Fortschritt der Menschheit in früheren Geschichtszyklen des Mittelalters wie auch der Neuzeit am stärksten erschüttert haben.

In diesem Zusammenhang möchte ich drei wichtige Punkte ansprechen. Erstens möchte ich die Bedeutung des Dialogs zwischen den Kulturen auf eine Art und Weise definieren, wie sie unter den Vorschlägen, die ich bisher zu diesem Thema aus der ganzen Welt gehört habe, vielleicht einzigartig, aber meines Erachtens notwendig ist. Zweitens möchte ich die Bedeutung der Wirtschaftspolitik hervorheben, um die wichtigen praktischen Ziele eines solchen Dialogs zu definieren. Drittens möchte ich deutlich machen, wie bestimmte mächtige anglo-amerikanische Interessen aus dem Umkreis von Zbigniew Brzezinski, Samuel P. Huntington und anderen Religionskriege schüren wollen, um einen Dialog zwischen den Kulturen zu verhindern. Ich möchte mich zunächst darauf konzentrieren, darzustellen, welche Rolle das vorsätzliche Anzetteln von Religionskriegen in der modernen europäischen Geschichte spielt.

1. Religionskriege in der modernen Geschichte

Um diese Betrachtung zu beginnen, sollten wir einige Perioden von Religionskriegen und verwandter Formen der Kriegsführung betrachten, um Lehren aus der nahen Vergangenheit ziehen zu können, Lehren, die sich auf das wachsende Potential für solche Kriege in der heutigen strategischen Situation anwenden lassen, die ansonsten durch einen allgemeinen finanziellen Zusammenbruch in allen Teilen der Welt gekennzeichnet ist. Ich konzentriere mich auf die vorsätzliche Inszenierung religiöser Kriegsführung, wenn sie von Großmächten als strategische Konfliktwaffe eingesetzt wird.

So herrschten beispielsweise in Europa fast anderthalb Jahrhunderte lang, vom Sieg Venedigs über die Liga von Cambrai im Jahr 1511 bis zum Westfälischen Frieden von 1648, ständig Religionskriege. Der Dreißigjährige Krieg von 1618–1648, der Mitteleuropa in ein neues dunkles Zeitalter stürzte, wie es schon zuvor bei dem Krieg der Habsburger gegen die Niederlande der Fall war, kennzeichnete den gesamten Zeitraum von der Gründung der sogenannten Heiligen Liga 1511 bis zum Westfälischen Frieden von 1648.

Bild: Wikipedia
Westfälischer Friede in Münster, Gemälde von Gerard Terborch. Das Bild zeigt den Augenblick der feierlichen Beeidigung des Vertragswerks 1648 im Rathaussaal von Münster.

Die Religionskriege zwischen 1511 und 1648 wurden von demselben Venedig angezettelt, das seit dem sogenannten Vierten Kreuzzug (1202–1204), durch den Venedig Byzanz erobert und geplündert hatte, den Mittelmeerraum als imperiale Seemacht beherrschte. Dasselbe Venedig hatte zuvor mit seinen normannischen Verbündeten jene Kriege und andere Zerstörungen organisiert, die zum großen Zusammenbruch der europäischen Zivilisation in der Zeit von etwa 1239 bis zum sogenannten Neuen Dunklen Zeitalter in der Mitte des darauf folgenden Jahrhunderts führten.

Venedig spielte diese Rolle auch nach dem Westfälischen Frieden weiter, solange es seine Position als führende, wenn auch schwindende imperiale Seemacht bis fast zum Ende des 17. Jahrhunderts behaupten konnte. In seinem Gegenangriff auf die großen Renaissance-Reformen des 15. Jahrhunderts hatte Venedig die kriegführenden religiösen Parteien in der Zeit von 1511 bis 1648 nicht nur in Szene gesetzt, sondern zu einem großen Teil sogar selbst geschaffen, wobei die meisten dieser Parteien aus manipulierten Kleingeistern bestanden, die sich nominell christlich nannten. Durch diese gelenkten religiösen Konflikte gelang es Venedig, die aufstrebenden souveränen Nationalstaaten Europas wie Frankreich, England und die deutschen Staaten, die vor 1511 gegen Venedig verbündet waren, gegeneinander aufzuhetzen.

Doch selbst noch zwischen 1511 und 1648 hatte sich der großartige Fortschritt in Kunst, Wissenschaft und Staatskunst, der durch die italienische Renaissance des 15. Jahrhunderts eingeleitet worden war, auf gewisse Weise fortgesetzt. Dennoch stürzte Europa als Ganzes in ein „kleines neues dunkles Zeitalter“, das einige Historiker zu Recht als weniger schrecklich als das frühere Neue Dunkle Zeitalter des 14. Jahrhunderts bezeichnet haben. Erst der durch den Westfälischen Frieden von 1648 gesicherte Frieden brachte Europa ein gewisses zivilisiertes Maß an Fortschritt und Stabilität. Der allgemeine Fortschritt in der europäischen Wirtschaft und den politischen Institutionen setzte sich in den oft von Kriegen zerrissenen zweieinhalb Jahrhunderten nach dem Vertragsschluß von 1648 fort, bis 1901 mit der Ermordung von US-Präsident William McKinley ein Wendepunkt erreicht wurde.

Die Ermordung McKinleys, die ganz dem strategischen Interesse des britischen Königs Edward VII. entsprach, setzte eine Allianz zwischen der britischen Monarchie und ihrem ehemaligen Feind, den Vereinigten Staaten, in Gang. Alle großen Kriege und damit verbundenen Konflikte, die den größten Teil des 20. Jahrhunderts beherrschten, wurden dadurch ausgelöst.

Es ist wichtig zu erkennen, daß die militärischen und ähnlichen strategischen Konflikte während des gesamten Zeitraums nach dem Ersten Weltkrieg und bis zum Zusammenbruch des Sowjetsystems 1989–1991 nach Art von Religionskriegen organisiert war, und zwar überwiegend als „Kreuzzüge gegen den Kommunismus“, wovon auch Hitlers Naziregime ein Produkt und Teil gewesen war.

Bemerkenswert ist, daß in allen drei zitierten Fällen – dem Neuen Dunklen Zeitalter des 14. Jahrhunderts, dem „kleinen neuen dunklen Zeitalter“ von 1511–1648 und den großen Kriegen des angloamerikanischen 20. Jahrhunderts – die finanzoligarchischen Fraktionen, die auch die herrschenden Finanzkreise der heutigen angloamerikanischen Allianz sind, immer das Produkt eines bestimmten imperialen Einflußfaktors waren. Im Gegensatz zu den allgemein akzeptierten Auffassungen beruhten diese Kriege nicht auf nationalen Interessenkonflikten von Nationen als Nationen, sondern waren im wesentlichen ideologische Konflikte, entweder als Religionskriege oder als ideologische Konflikte, wie die antikommunistischen Kreuzzüge, die den gleichen Charakter wie Religionskriege hatten.

Im 13. bis 17. Jahrhundert war zum Beispiel Venedig als imperiale See- und Finanzmacht der bestimmende Einfluß. Jedesmal wurden Kriege entweder von Venedig selbst oder von finanzoligarchischen Interessen nach venezianischem Vorbild angezettelt.

Später waren es die anglo-holländischen finanzoligarchischen Interessen, denen heute die rentenökonomischen Interessen der Wall Street nachempfunden sind. Diese anglo-holländischen Interessen in Gestalt der niederländischen und britischen Ostindiengesellschaft wurden im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts von der mächtigen venezianischen Finanzoligarchie ins Leben gerufen und orientierten sich als maritime Handels- und Bankenmächte an Venedig, das in der Tat das Vorbild für die niederländische und britische Finanzoligarchie des 17. und 18. Jahrhunderts war. Es war Paolo Sarpi, der damalige Herrscher von Venedig, der in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts und den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts die empiristische Ideologie von Thomas Hobbes, John Locke, Bernard Mandeville und Adam Smith schuf – die Ideologie, die, wie Henry Kissinger in einer Rede im Chatham House am 10. Mai 1982 betonte, die empiristische Denkweise ist, die die charakteristische Geisteshaltung und das globale Verhalten der anglo-amerikanischen Finanzoligarchie und Kissingers selbst bis heute prägt.

Bild: Wikipedia
Denkmal für Paolo Sarpi in Venedig.

Noch heute wird die alte Tradition der Religionskriege vom finanzoligarchischen New Yorker Council on Foreign Relations als sogenannte geopolitische Konflikte gegen China und andere Länder aktiv gepflegt.

Heute wird dieselbe orchestrierte religiöse Kriegsführung, wie sie von Venedig in der Zeit zwischen dem Vierten Kreuzzug und 1648 betrieben wurde, nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems 1989–1991 wieder entfesselt. Die Welt insgesamt steht dadurch am Rande eines drohenden neuen dunklen Zeitalters. Unter den Bedingungen einer globalen Wirtschaftskrise könnten Religionskriege dazu führen, daß ein neues dunkles Zeitalter Wirklichkeit wird.

Seit im 15. Jahrhundert und insbesondere seit dem Westfälischen Frieden von 1648 eine neue Gesellschaftsform in Gestalt des souveränen Nationalstaates aufkam, hat das alte zyklische Muster eine deutlich veränderte Form angenommen. Denn nun sind es die Zyklen wiederkehrender Wirtschaftskrisen, die ein entscheidendes Element für die Auslösung und das Timing regelmäßiger religiöser Kriege und ähnlicher Konflikte darstellen.

Betrachten wir die gegenwärtige Bedrohung durch derartige Religionskriege und verwandte ideologische Kriege unter dem Gesichtspunkt, was die Welt als Ganzes aus den europäischen Erfahrungen der Jahre 1511–1648 hätte lernen sollen. Untersuchen wir die Geschichte unter dem Gesichtspunkt, der in der berühmten Bemerkung des bekannten Harvard-Philosophen George Santayana zum Ausdruck kommt: Wer aus der Geschichte, auf die ich soeben verwiesen habe, nicht lernt, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen.

2. Die globale strategische Krise von heute

Um die Besonderheiten des letzten Jahrzehnts der sich entfaltenden Weltgeschichte zu verstehen, müssen wir uns auf die axiomatischen Veränderungen in den politischen und wirtschaftlichen Machtstrukturen konzentrieren, die sich während und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als führender strategischer Kraft 1989–1991 entwickelt haben.

Anfang 1990 inszenierten Kräfte, die von der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, dem französischen Präsidenten François Mitterrand und US-Präsident George Bush sen. vertreten wurden, einen bewaffneten Konflikt zwischen dem Irak und Kuwait, der dann als Vorwand für die Entfesselung eines Krieges gegen den Irak diente, der faktisch bis zum heutigen Tag anhält.

Auf diesen von London angezettelten Krieg gegen den Irak folgte unmittelbar die Entfesselung einer Reihe neuer Balkankriege unter der Leitung jener britischen und französischen Interessen, die die Politik auf dem Balkan seit dem auf Versailles folgenden Vertrag von Trianon kontrolliert hatten. Der Balkankrieg hat sich wie der Dreißigjährige Krieg (1616–1648) und auch die Balkankriege, die dem Ersten Weltkrieg vorausgingen, in veränderter Form bis in die Gegenwart fortgesetzt.

In der gleichen Zeit bis heute wird gemeinschaftlich versucht, einen Großteil Europas in einem „Kampf der Kulturen“ zu ertränken, wie sich Zbigniew Brzezinskis Freund, Professor Samuel P. Huntington, ausgedrückt hat – ein Begriff, der nach Darstellung des Professors die Absicht bezeichnet, die Politik der Nationen auf unserem Planeten so zu steuern, daß ein großer Flächenbrand in der allgemeinen Form eines Religionskriegs provoziert wird, um einen mehr oder weniger endlosen und blutigen Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen zu erzeugen.

Die Absicht von Professor Huntington und seinen Anhängern, einen praktisch weltweiten religiösen Konflikt zwischen der europäischen Zivilisation und der islamischen Welt heraufzubeschwören, soll der Zünder für eine neue Welle religiöser Kriege werden und hat den bereits vorhandenen Sprengsatz eines über drei Generationen anhaltenden blutigen arabisch-israelischen Konflikts ausgelöst.

Bild: Wikipedia
Samuel Huntington auf der Konferenz des Weltwirtschaftsforums in Davos 2004.

Im Moment besteht die Absicht, die verrückten protestantischen US-Fundamentalisten aus dem Umkreis von George Bushs Freund John Ashcroft für einen blutigen Anschlag auf den Felsendom in Jerusalem einzusetzen, um möglicherweise einen neuen israelisch-arabischen Krieg zu entfachen. Ein solcher Krieg würde nicht nur die Zerstörung arabischer Staaten wie Syrien und Irak fortsetzen, sondern auch den Iran als Ziel israelischer Angriffe ins Visier nehmen und so den Krieg auf Regionen der Welt mit muslimischen Bevölkerungen und deren Nachbarn ausweiten.

Die gleichen religiösen und ähnlichen Unruhen werden von den ehemaligen anglo-holländischen und portugiesischen Kolonialmächten in Indonesien geschürt, und haßerfüllte Angriffe auf Malaysia gehen von Personen wie den US-Vizepräsidenten Al Gore und von dessen Komplizin, US-Außenministerin Madeleine Albright, aus, die als fanatische Anhängerin von H.G. Wells bekannt ist. Auch beabsichtigen bestimmte anglo-amerikanische Interessen, auf dem asiatischen Subkontinent neue kommunalistische Unruhen zu entfachen.

Wie die von der imperialen Seemacht Venedig zwischen 1511 und 1648 angezettelten Religionskriege haben auch die heute drohenden Religionskriege eine klar definierte Architektur. Typisches Beispiel hierfür sind die engen persönlichen, über Parteigrenzen hinweg bestehenden familiären Beziehungen des Huntington-Anhängers Zbigniew Brzezinski zu Frau Albright, ihrem Vater Josef Korbel und Korbels Liebling, der Präsidentenberaterin Condoleezza Rice.

Ironischerweise, aber nicht zufällig, sind die Motive für die venezianischen Religionskriege 1511–1648 und die Motive von Brzezinski, Huntington und anderen für einen sogenannten „Kampf der Kulturen“ im wesentlichen identisch.

Bild oben: Wikipedia/Tobias Kleinschmidt
Huntingtons Anhänger: Zbigniew Brzezinski (oben), Madeleine Albright (links), Condoleeza Rice (rechts).

Damals, in den Jahren 1511–1648, bestand das Motiv Venedigs darin, die Entstehung moderner souveräner Nationalstaaten zu verhindern, wie sie von Ludwig XI. in Frankreich und Heinrich VII. in England gegründet wurden. Damit hatten die von Venedig angeführte Heilige Liga und ihre Nachfolgeorganisationen beinahe Erfolg. Der Westfälische Friede war es, der den modernen souveränen Nationalstaat vor dem gleichen Schicksal bewahrte wie das Europa des Neuen Dunklen Zeitalters des 14. Jahrhunderts. Das durch den Westfälischen Frieden geschaffene Völkerrecht hat es der Institution des modernen Nationalstaates ermöglicht, zur charakteristischen Institution der modernen europäischen Zivilisation zu werden.

Heute hat dieser Konflikt eine etwas andere Form; viele der Namen haben sich geändert, aber das Muster ist im wesentlichen das gleiche. Heute besteht der globale Konflikt ideologisch in einem Konflikt mit den imperialen Interessen der fünf englischsprachigen Mächte – ein Interesse, das sich in rein ideologischen Begriffen wie „Globalisierung“ und „Rechtsstaatlichkeit“ ausdrückt. Solche symbolischen Begriffe erinnern an die Vorstellungen von Imperium und Recht des heidnischen Roms, Begriffe, die eine haßerfüllte Opposition religiöser Qualität gegen das Prinzip des souveränen Nationalstaates zum Ausdruck bringen.

Das Ende der Sowjetmacht in den Jahren 1989–1991 ermutigte die fünf englischsprachigen Mächte – das von der englischen Königin regierte Vereinigte Königreich, Kanada, Australien und Neuseeland sowie die USA –, sich faktisch und gewaltsam zu einer anglo-amerikanischen Weltregierung zu erklären.

So wurden unter deren Herrschaft zwischen 1989 und 2000 Maßnahmen ergriffen, um nicht nur die rechtliche, sondern auch die wirtschaftliche Grundlage für einen souveränen Nationalstaat zu zerstören. Die Politik des „Freihandels“ und der „Globalisierung“ in Verbindung mit der merkwürdigen Verwendung des Begriffs „Demokratie“ durch Brzezinski und Huntington steht für das Bestreben, eine Art imperiale Weltherrschaft zu errichten, die nicht nur auf dem „geopolitischen maritimen Modell“ des mittelalterlichen und modernen Venedigs beruht, sondern auch auf dem Vorbild des alten heidnischen Roms, einer neu-römischen Form des Imperialismus, von manchen euphemistisch als „Rechtsstaatlichkeit“ bezeichnet, was aber ehrlicher als „imperiale Herrschaft des römischen Rechts“ beschrieben werden muß.

So ist heute erneut der Frieden und die Stabilität unseres Planeten durch die Entfesselung religiöser Kriege bedroht, die am schwierigsten zu beenden sind und die über einen großen Teil unseres Planeten oder sogar über den gesamten Planeten ein neues dunkles Zeitalter zu bringen droht. Es ist daher dringend notwendig, daß wir heute bestimmte wichtige Lehren aus den letzten acht Jahrhunderten der heutigen, inzwischen global ausgedehnten europäischen Zivilisation ziehen; es ist wichtig, Punkte historischer Übereinstimmung zwischen dem zu erkennen, was durch den Westfälischen Frieden von 1648 erreicht wurde, und dem, was in letzter Zeit von führenden Persönlichkeiten wie dem Präsidenten des Iran als Dialog zwischen den Kulturen vorgeschlagen wurde.

3. Die Ökonomie eines gescheiterten Systems

Religionskriege werden als strategische Waffe zwar schon sehr lange eingesetzt, aber der Zyklus des 20. Jahrhunderts weist entscheidende Merkmale auf, die die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise qualitativ von allen anderen Krisen der vorangegangenen zwei Jahrhunderte unterscheidet.

Während des 20. Jahrhunderts, bis etwa 1966–1971, ging der allgemeine Trend in der wirtschaftlichen Entwicklung dahin, daß die durchschnittliche Produktivkraft der Arbeitskräfte anstieg und sich die demographischen Merkmale der Bevölkerung Europas und Amerikas im besonderen verbesserten. Vor etwa 35 Jahren, während des Präsidentschaftswahlkampfs von Richard Nixon 1966–1968, kam es in den USA zu einem koordinierten Wiederaufleben pro-rassistischer sogenannter „christlicher Fundamentalisten“ und von pro-faschistischen, „rechtszionistischen“ Denkweisen, die David Ben-Gurion in Israel einst scharf verurteilt hatte. Im Zuge dieser ideologischen Einflüsse auf die US-Politik sind die demografischen Merkmale Amerikas und Europas auf Talfahrt gegangen.

Typisch für diesen Abwärtstrend war die Ausbreitung und Intensivierung einer pro-malthusianischen Politik und die daraus folgende systematische Zerstörung der Volkswirtschaften dieser und anderer Regionen der Welt. Sobald das Sowjetsystem kein strategischer Rivale der transatlantischen Mächte mehr war, gingen die Regierungen dieser Mächte sofort dazu über, die Einrichtungen der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur, der Landwirtschaft und der Industrie, von denen die Stärke und Sicherheit der Nationen bis dahin abhing, mehr und mehr aufzulösen. Diese brutale Zerstörung des früheren „Komplettpotentials“ der Volkswirtschaften, die im letzten Jahrzehnt weltweit mit voller Wucht einsetzte, beschleunigte noch die wirtschaftlich selbstmörderischen Tendenzen, die in den USA nach der Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy einsetzten.

Das Zusammentreffen einer zunehmend rassistischen Politik in der Republikanischen wie auch der Demokratischen Partei der USA und einer neo-malthusianischen und auch rassistischen Politik zur Wirtschafts- und Bevölkerungskontrolle war nicht zufällig. Dieser Zusammenhang läßt sich am besten verstehen, wenn man sich die geschichtliche Entwicklung in den USA selbst ansieht. Dieser Zusammenhang zeigt das entscheidende Problem auf, das überwunden werden muß, wenn wir eine Zusammenarbeit und einen Dialog zwischen den Kulturen erreichen wollen.

Die Sklaverei, wie sie in den USA an Personen afrikanischer Abstammung praktiziert wurde, ist weit mehr als nur ein offensichtliches Verbrechen an den Opfern dieser Unmenschlichkeit. Die Sklaverei, wie sie von den verräterischen konföderierten Staaten von Amerika praktiziert wurde, widerspricht dem Menschenbild der mosaischen Lehre, die dem Christentum und dem Islam gemeinsam ist, ganz grundsätzlich. Die Kräfte, die seit der von Nixon 1966 eingeleiteten Südstaatenstrategie der Republikanischen Partei eine beherrschende Stellung in den politischen Parteien der USA eingenommen haben, stützen sich auf das pervertierte und entartete Menschenbild der Konföderation. Viele Anhänger dieser neokonföderierten politischen Einstellung, zum Beispiel Bushs Freund John Ashcroft und die Gore-Demokraten, geben vor, Christen zu sein; offensichtlich sind sie es aber nicht.

Nicht nur sind diese neokonföderativen kulturellen Anschauungen von Natur aus rassistisch und damit antichristlich und islamfeindlich. Die politischen und wirtschaftlichen Anschauungen dieser pro-rassistischen Strömungen decken sich zudem völlig mit ihrer bestialischen, geradezu satanischen Fehlauffassung von Natur- und Menschenrechten.

Aus diesem Grund decken sich die Fragen der Wirtschaft und des Dialogs der Kulturen unmittelbar.

Die neuzeitliche europäische Zivilisation, die als souveräne nationalstaatliche Republik bekannt ist, leitet ihre Auffassung von Wirtschaft und Politik aus einem langen Kampf in Europa ab, in dem Formen von Nation und Wirtschaft etabliert wurden, die mit dem Menschenbild der christlichen Zivilisation übereinstimmen, wonach der Mensch im Abbild des Schöpfers geschaffen ist.

Die revolutionäre, moderne Form des souveränen europäischen Nationalstaates, wie sie erstmals in der Renaissance des 15. Jahrhunderts definiert wurde, basierte auf der Vorstellung, daß eine Regierung nach dem Gesetz nur dann eine moralische Autorität hat, wenn sie sich der Förderung des Gemeinwohls aller Lebenden und ihrer Nachkommen verpflichtet. Mit anderen Worten: Frühere Gesellschaftsformen, in denen einige wenige die Mehrheit der Menschheit quasi als menschliches Vieh behandelten, müssen geächtet werden. Die Gesellschaft muß sich so konstituieren, wie es ihr das höchste Gesetz, das Naturrecht, vorschreibt, d. h. es muß jene Qualität des Individuums zum Ausdruck gebracht und geschützt werden, die mit der Vorstellung vom Menschen als Abbild des Schöpfers übereinstimmt.

Bild: Wikipedia
Die Bahnstrecke Mombasa-Nairobi wurde mit Chinas Hilfe im Mai 2017 eröffnet und verbindet den größten Hafen Ostafrikas, Mombasa, mit der Hauptstadt Nairobi.

Die moderne souveräne Form des Nationalstaates, wie sie in der Unabhängigkeitserklärung der USA von 1776 zum Ausdruck kommt und auch die Politik von Frankreich unter Ludwig XI. und von England unter Heinrich VII. im späten 15. Jahrhundert prägte, fördert jene schöpferischen Kräfte in Wissenschaft und anderen Bereichen, durch die jeder Mensch in die Lage versetzt wird, am Fortschritt der Menschheit teilzuhaben und diesen auf die nächsten Generationen zu übertragen. So wie von Nikolaus von Kues im 15. Jahrhundert dargelegt, müssen wir es uns zum Ziel setzen, eine ökumenische Brüderlichkeit zwischen souveränen Nationen zu entwickeln, so daß jede gehalten ist, das Gemeinwohl für ihr eigenes Volk zu fördern und sich an einer Prinzipiengemeinschaft unter den Nationen zu beteiligen, um das Gemeinwohl aller zu fördern.

Im Gegensatz dazu bestehen die heutigen ideologischen Anhänger der amerikanischen Konföderierten darauf, die Interessen des „Freihandels“ und des sogenannten „Shareholder Value“ nicht nur über, sondern sogar in Gegensatz zu den menschlichen Werten zu stellen. Sie widersetzen sich nicht nur dem Prinzip des Gemeinwohls, das höchstes Verfassungsrecht der amerikanischen Republik ist, sondern bekämpfen es.

In der Geschichte des Fortschritts der modernen europäischen Zivilisation war es das wichtigste Ziel, die Mittel für wissenschaftliche und technologische Fortschritte bei den Produktivkräften und den Lebensbedingungen der Arbeitskräfte dadurch zu erzeugen, daß hauptsächlich die Regierung die grundlegende wirtschaftliche Infrastruktur durch Vergabe von Krediten förderte, um Landwirte, Industrieunternehmer und andere dabei zu unterstützen, Beiträge zum Fortschritt der Gesellschaft als Ganzes zu leisten.

Zu solchen fortschrittlichen Kräften in der Wirtschaft gehören einzelne progressive Landwirte, Unternehmer, Industriearbeiter und die wissenschaftlichen und anderen Berufe, die für die Förderung eines solchen Fortschritts wesentlich sind.

Die neoföderalistischen Kräfte, die in den Jahren 1966 bis 2000 versuchten, die Traditionen der Sklavenhalterkonföderation wiederherzustellen und zu festigen, haben alles daran gesetzt, die politische Macht jener kombinierten landwirtschaftlichen, industriellen und fachlichen Kräfte in der Gesellschaft zu beseitigen, die für die Förderung des Gemeinwohlprinzips verantwortlich sind. So sanken die unteren achtzig Prozent der Einkommensschichten in den USA, die 1977, als Jimmy Carter Präsident wurde, über die überwältigende Mehrheit des gesamten Nationaleinkommens verfügten, durch Carters Politik und andere Maßnahmen auf weit weniger als die Hälfte des heutigen Gesamteinkommens ab (siehe Abbildung 1).

Quelle: Haushaltsamt des Kongresses; EIR
Abbildung 1. Seit Jimmy Carter haben die reichsten 20 Prozent in Amerika haben zusammen mehr Einkommen als die übrigen 80 Prozent zusammen.

So erlebten wir in den USA, Europa und anderswo seit Mitte der 1960er Jahre ein böswilliges und zunehmend brutales Vorgehen, um jene Elemente der Infrastruktur, der Landwirtschaft, der Industrie und der einschlägigen Facharbeiterschaft auszuschalten, auf denen die wirtschaftlichen Erfolge in der Zeit vor 1966 beruhten.

Aufgrund dieser weitgehenden Zerstörung befinden wir uns im Jahr 2001 in einem globalen Zustand, der weitaus schlimmer ist als der Finanzkollaps von 1929–1931. Durch das Vorgehen der Neo-Konföderalisten und gleichgesinnter Kräfte des Neo-Malthusianismus, der Globalisierung und des wirtschaftlichen Utopismus sind die Grundlagen der Weltwirtschaft in einem solchen Ausmaß zerstört worden, daß die Wirtschaftskrise, die die Welt jetzt erfaßt, keine bloße Konjunktur- oder Geschäftskrise ist; die Welt steht zum ersten Mal in der modernen Geschichte vor einer allgemeinen wirtschaftlichen Zusammenbruchskrise.

Diese Überlegung unterstreicht die entscheidende Rolle, die ein Dialog zwischen den Kulturen spielen muß, um zu verhindern, daß der gesamte Planet in ein neues dunkles Zeitalters für die gesamte Menschheit stürzt.

4. Wirtschaft, Politik und Glaube

Um ein solches neues dunkles Zeitalter verhindern zu können, muß ein hohes Maß an Nachdruck auf die wirtschaftliche Seite der Diskussion gelegt werden. Ökonomie, wenn man sie richtig als physische Ökonomie und nicht als Methode der Preisberechnung definiert, ist entstanden als Ausdruck des Menschen als einem Geschöpf, das im Abbild Gottes geschaffen wurde, um Herrschaft über alle anderen Dinge auszuüben. Dieser Begriff der physischen Ökonomie bietet die Grundlage, auf der die verschiedenen Kulturen in der Praxis übereinstimmen.

Ökonomie als wissenschaftlich praktizierte Staatskunst ist im 15. Jahrhundert in Europa entstanden, und zwar infolge eines damals neuen, revolutionären Konzepts der Staatskunst, von dem der Fortbestand der Institution des modernen souveränen Nationalstaates absolut abhängt.

Vor dieser Reform im 15. Jahrhundert war die Bevölkerung Gegenstand des Vergnügens, des Genusses und der Macht einer herrschenden Oligarchie und ihrer Lakaien – einer oligarchischen Gesellschaft, die der reaktionäre Dr. Quesnay mit seiner physiokratischen Doktrin des Laissez-faire rechtfertigte. Damals wurde der Grundsatz eingeführt, daß die moralische Legitimität einer Regierung davon abhängt, daß sie sich wirksam für die Verbesserung des allgemeinen Wohls der gesamten Bevölkerung und ihrer Nachkommen einsetzt. Das war die Geburtsstunde der politischen Ökonomie, als die bahnbrechenden neuen Regierungsformen unter Ludwig XI. in Frankreich und Heinrich VII. in England entstanden.

In diesem Zusammenhang läßt sich der Kern für die Art von strategischem Dialog der Kulturen finden, wie er heute erforderlich ist. Er liegt in der Auffassung vom Wesen des menschlichen Individuums, das der mosaischen Tradition des Judentums, des Christentums und des Islams gemeinsam ist: die Auffassung, daß jeder Mensch nach dem Ebenbild des Schöpfers geschaffen und daher mit bestimmten angeborenen Kräften ausgestattet ist, die den Tieren fehlt. Dies gilt insbesondere für das Christentum und den Islam, die beide charakteristische Missionskulturen waren und sich mit der gemeinsamen Botschaft an die gesamte Menschheit wandten, daß der einzelne Mensch nach dem Bild des Schöpfers geschaffen und mit Kräften ausgestattet ist, die dem Schöpfer selbst entspringen.

Insbesondere was die heutige weltweit verbreitete moderne europäische Zivilisation angeht, gingen alle bemerkenswerten Erfolge, die dem Aufstieg der modernen europäischen Zivilisation seit der Renaissance im 15. Jahrhundert folgten, aus der Tatsache hervor, daß sich die Staatsidee einer modernen souveränen Nation auf die universelle Natur des menschlichen Individuums stützte, das nach dem Ebenbild des Schöpfers geschaffen und mit den entsprechenden Pflichten und Rechten ausgestattet ist.

Historisch gesehen charakterisiert dieses Menschenbild somit ganz allgemein die moderne Entwicklung Europas, Amerikas, Afrikas und der islamischen Welt. Einige einflußreiche Kulturen aus anderen Teilen der Welt akzeptieren dieses Menschenbild nicht grundsätzlich, obgleich es in der Praxis, wenn auch nicht unbedingt in den traditionellen Denkweisen, Sympathien dafür geben mag.

Dies sind in groben Zügen die Bedingungen, mit denen ein erfolgreicher Dialog der Kulturen geführt werden kann. Ich denke, daß die folgenden Schritte dafür die wesentlichsten sind.

Erstens müssen diejenigen von uns, die die Vorstellung teilen, daß jeder Mensch von Anfang an nach dem Ebenbild des Schöpfers des Universums geschaffen wurde, unter sich eine ökumenische Gemeinschaft auf der Grundlage dieses spezifischen Menschenbildes begründen. Durch unsere Einmütigkeit in diesem eng umrissenen, begrenzten Punkt ökumenischer Übereinstimmung müssen wir im Dialog mit anderen darauf hinwirken, daß sie bestimmte Vorstellungen von dem verstehen, was man als „Naturrecht“ bezeichnen kann, auf dem alle Nationen und Völker eine geeignete Gemeinsamkeit begründen können.

Zweitens müssen wir diejenigen, die einer solchen Überzeugung bedürfen, davon überzeugen, daß sowohl innerhalb der Staaten als auch unter den Mitgliedern einer Gemeinschaft von Nationen der gemeinsame Grundsatz herrschen sollte, daß eine Regierung unter der Herrschaft des Naturrechts nur dann eine legitime moralische Autorität hat, wenn sie wirksam zur Förderung des allgemeinen Wohls der gesamten Bevölkerung und ihrer Nachkommenschaft beiträgt. Diese Definition des allgemeinen Wohls, manchmal auch als Gemeinwohl bezeichnet, muß mit der naturgegebenen Qualität des menschlichen Individuums in Einklang stehen.

Drittens müssen wir aus diesem Verständnis des Gemeinwohls einen eigenverantwortlichen Handlungsauftrag ableiten. Es reicht nicht aus, sich auf Worte auf dem Papier zu einigen. Die Absicht muß sich in positivem Handeln ausdrücken; die Absicht ist nicht aufrichtiger als das Bekenntnis zu einem Handlungsauftrag, der aus den erklärten Absichten echte Absichten macht. Es herrschen heute massive Ungerechtigkeiten auf der Welt – nicht nur solche, die durch vorsätzliche Grausamkeiten, sondern auch solche, die aus Nachlässigkeit entstanden sind.

US-Präsident Franklin Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill in Casablanca 1943.

Aus diesem dritten Grund ergibt sich ein wichtiger moralischer Test, an dem der gute Wille einer Nation zu messen ist: Wie blickt ein Land auf die sich allgemein verschlechternden Bedingungen auf dem afrikanischen Kontinent, insbesondere in den Ländern südlich der Sahara?

In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, daß US-Präsident Franklin Roosevelt den britischen Premierminister Winston Churchill während ihrer berühmten Auseinandersetzung in Casablanca während des Krieges mit dieser Afrika-Frage konfrontierte. Roosevelt entwarf damals ein recht detailliertes Bild des groß angelegten Infrastrukturaufbaus und entsprechender Maßnahmen, die in der Nachkriegszeit mit Unterstützung der USA in Angriff genommen werden sollten. Roosevelt warnte Churchill auch, daß die USA bei Kriegsende mit ihrer Macht die letzten Reste kolonialer und imperialer Herrschaft portugiesischer, niederländischer, britischer und französischer Interessen über kolonisierte und halbkolonisierte Teile der Welt beseitigen würden. Unglücklicherweise stellten sich nach Roosevelts frühem Tod seine Nachfolger auf die Seite Churchills und gegen Roosevelts Pläne.

Nach diesen Ausführungen komme ich nun zum Kern der Sache.

Ich denke, daß alle wichtigen Bereiche der politischen Diskussion zwischen den Kulturen abgeleitet werden können, wenn man sich die gemeinsamen ökumenischen Grundsätze von Christentum, Islam und den mosaischen Grundsätzen vor Augen führt, wonach alle Männer und Frauen gleichermaßen nach dem Bild des Schöpfers geschaffen und mit Fähigkeiten ausgestattet sind, mit denen die Menschheit über andere Formen des Lebens und des Nichtlebens gleichermaßen herrschen kann. Wenn ich den Begriff „Naturrecht“ verwende, dann verstehe ich darunter das, was auch in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 ausgedrückt ist. Wenn wir diese Definition der Natur des Menschen als Grundlage für das universelle Naturrecht anerkennen, ergeben sich daraus implizit alle wesentlichen Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen diesen Kulturen.

Bild: EIRNA/Doug Degroot
Der Merowe-Staudamm in Sudan.

Wenn wir uns in diesen ökumenischen Grundsätzen einig sind, dann müssen wir auch unseren Brüdern und Schwestern in jenen Kulturen die Hand reichen, die nicht unbedingt das Menschenbild übernommen haben, das wir als Erben der mosaischen Tradition teilen. Wir müssen eine Form der ökumenischen Verständigung zwischen uns und diesen Brüdern und Schwestern herstellen.

Wenn wir so vorgehen wollen, sollte es uns eine Lehre sein, wie der Feind in der Vergangenheit wiederholt die Waffen der religiösen und verwandten Kriegsführung eingesetzt hat. Nur wenn wir uns, wie es der Westfälische Frieden von 1648 für die moderne europäische Geschichte nahelegt, hinreichend einem gemeinsamen politischen Interesse verpflichtet fühlen, werden wir in der Lage sein, die Kräfte des Bösen zu besiegen, für die Samuel P. Huntington heute nur ein Beispiel ist.

Wir müssen uns auch darüber im klaren sein, daß es nicht ausreicht, sich auf die bloßen Buchstaben einer ökumenischen Vereinbarung zu beschränken. Wir müssen die Übereinkunft durch eine gemeinsame Praxis, die mit der Grundübereinkunft übereinstimmen, mit Inhalt füllen.

Wie dieser Handlungsauftrag aussehen muß, läßt sich auf einfachste Weise zeigen, wenn wir uns die Entwicklung eines neugeborenen Menschen bis zum reifen Erwachsenen vor Augen führen. Die Wirtschaftsgeschichte lehrt uns, daß – ebenso wie die biologische Reifung eines Neugeborenen eine Entwicklungszeit von etwa einem Vierteljahrhundert erfordert – die uns verbindenden konkreten Zielsetzungen darin ausgedrückt werden müssen, welchen Beitrag unsere Generation für die spätere Lebenslage der Kinder und Jugendlichen von heute leisten wird. Ich denke, wir müssen unser Übereinkommen aus prinzipiellen moralischen Gründen konkretisieren, und zwar in Bezug auf die großen Projekte, die in einem Zeitraum von etwa 25 Jahren in Angriff genommen werden sollen.

Dabei geht es in der Regel um Projekte zum Aufbau der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur, von der die Zukunft der produktiven Wirtschaft abhängt, d. h. die groß angelegte Entwicklung von Systemen für das Verkehrswesen, die Wasserwirtschaft und die Abwasserentsorgung sowie die Stromerzeugung und -verteilung. Es bedeutet auch die Entwicklung von Bildungs-, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, von denen die Produktivität und die Lebenserwartung der Bevölkerung abhängen.

Aus diesem Grund hat das, was wir für den afrikanischen Kontinent tun oder unterlassen, eine besondere Bedeutung für die gesamte Menschheit. Natürlich gibt es auch große und dringende Entwicklungen der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur in Eurasien, und ähnliche Herausforderungen sind in ganz Amerika zu bewältigen. Afrika jedoch sich selbst zu überlassen, wäre ein Verbrechen, das einen dunklen Fleck auf dem Gewissen der Welt hinterlassen würde. Was wir für Afrika tun, sollte ein Wahrzeichen unseres Gewissens sein – eine Mission, deren Erfolg belegen wird, daß wir überall auf diesem Planeten endlich wahrhaft menschlich geworden sind: wahrhaft menschlich in unserer Auffassung von der Universalität der menschlichen Natur.

Abschließend sei gesagt, daß wir vor allem drei Ziele verfolgen sollten.

Erstens müssen wir ein ökumenisches Menschenbild definieren, das den Menschen als Abbild des Schöpfers begreift, von dem sich alle Vorstellungen des Vernunftrechts ableiten, wobei Konflikte mit anderen religiösen Überzeugungen vermieden werden müssen.

Zweitens müssen wir ein prinzipielles Einverständnis zwischen einer neu definierten Gemeinschaft vollkommen souveräner Nationalstaaten erreichen.

Zu diesen beiden Punkten muß ein dritter hinzukommen: eine Verpflichtung zu umfangreichen realwirtschaftlichen Projekten von mindestens einem Vierteljahrhundert Dauer. Diese Projekte lassen sich in drei allgemeine Bereiche unterteilen. Der erste steht für die großen Infrastrukturvorhaben, die entscheidend dafür sind, daß Nationen ihre Landgebiete entwickeln können. Der zweite ist die Entwicklung des Produktivitätspotentials mit Hilfe von Bildungs- und Gesundheitsprogrammen für die Bevölkerung als Ganzes. Der dritte ist die gemeinsame Absicht, den grundlegenden wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt zu fördern, zu dem alle Völker das gleiche Zugangsrecht haben sollen.

Ein solches Verständnis vom Wesen des Menschen zusammen mit dem Ziel der praktischen Umsetzung von Projekten ist die Grundlage für einen erfolgreichen Dialog zwischen den Kulturen.