Erziehung zum Frieden

Dr. Akiko Mikamo stellte ihr Buch und den von ihr produzierten Film „8:15 Hiroshima: From Father to Daughter“ auf dem kurzfristig anberaumten Internetforum der Internationalen Friedenskoalition vor, das am 26. November 2023 unter dem Titel „No more War Crimes! Economic Development – Not Depopulation“ stattfand. Redner der Veranstaltung waren Helga Zepp-LaRouche, Gründerin des internationalen Schiller-Instituts und Ray McGovern, ehemaliger CIA-Analyst und Gründer von „Veteran Intelligence Professionals for Sanity“.


Achter August 1945, 8:15 Uhr – zu dieser Zeit wurde die mörderische Atombombe über Hiroshima abgeworfen. Die später in den Trümmern wiedergefundene Taschenuhr, die dem Vater der Autorin, Shinji Mikamo, gehörte, hat diesen Zeitpunkt für immer festgehalten.

Wie durch ein Wunder überleben Shinji Mikamo und sein Vater die tödliche Bombe, nur 1200 Meter vom Epizentrum entfernt. Schockierend und zutiefst erschütternd schilderte Shinji Mikamo später seiner Tochter Akiko diesen schrecklichen Überlebenskampf, den er zusammen mit seinem Vater Fukuichi Mikamo durchstand. Als ewige Mahnung an zukünftige Generationen entstand daraus das vorliegende Buch. Irgendwann sind die physischen Wunden verheilt, wie aber können Menschen solche Horrorerlebnisse verkraften und ohne innere Haß- und Rachegedanken Frieden in ihrem Leben finden?

Mit einem Schlag starben in Hiroshima unmittelbar 140.000 Einwohner, in den folgenden Jahrzehnten waren es infolge von Strahlenschädigungen über 350.000 Menschen. Die einst blühende, prosperierende Stadt war zur verbrannten Erde geworden. Drei Tage später wiederholte sich das Grauen in Nagasaki mit schätzungsweise 150.000 Toten.

Unmittelbar nach dem Bombenabwurf sahen Vater und Sohn, wie ein gigantischer Feuerball auf sie zuraste, „mindestens fünfmal so groß und zehnmal so hell wie die Sonne“, eine mächtige Flamme, außergewöhnlich hellgelb, fast weiß. Ein ohrenbetäubender Lärm und Donner folgten, als würde das Universum explodieren. Shinji erinnerte sich später: „Es war, als hätte man einen Eimer mit kochendem Wasser über meinen Körper geschüttet und mir die Haut abgezogen … meine ganze Brust und mein rechter Arm waren komplett verbrannt. … Meine Haut hing in Fetzen an meinem Körper herab wie zerrissene Kleidung. … Das rohe Fleisch an meinen Armen sah aus wie ein süßer gelber Puderzuckerkuchen … Dann folgte ein dröhnendes Geräusch, ein schnell herannahendes Feuer. Wir rochen und hörten es, bevor wir es sahen: Eine riesige Feuersbrunst schoß auf uns zu. … Beim Herankommen verbrannte es alles, was sich ihm in den Weg stellte, alles, […] einschließlich der Menschen. Wir hörten ihre Schreie, als das Feuer sie erreichte. Wir rochen ihr Fleisch, als sie verbrannten. Wir schmeckten die Asche auf unserer Zunge. Es war die Hölle auf Erden.“

Es folgte ein ohrenbetäubender Tornado. Er kletterte fast zweihundert Meter nach oben, „saugte große Stücke von eingestürzten Häusern, verbrannte Möbelreste und sogar Wasser aus dem Fluß auf“, Trümmer wurden auf sie herabgeschleudert, aber dann änderte der Tornado seine Richtung. Dann kam ein schwarzer Regen, wie flüssige Holzkohle fiel er vom Himmel, und es dauerte bis zum Sonnenuntergang, bis sich das riesige Feuer und der Tornado gelegt hatten.

In der Hölle kann es nicht schlimmer sein, und diejenigen, die sofort umkamen, konnten froh sein, denn ihnen blieben die Qualen und das Elend eines meist vergeblichen Überlebenskampfes erspart.

Der weitere Weg war gekennzeichnet von dem Versuch, dem elenden Chaos zu entkommen und der Suche nach medizinischer Hilfe in einer scheinbar ausweglosen Lage. Eine eigene innere Kraft, der unbewußte Überlebenswille und die unerbittliche Forderung seines eigenen Vaters Fukuichi, nicht aufzugeben und weiterzumachen, waren für Shinji die Rettung. Für Fukuichi, selbst dem Tod nahe, war das Überleben seines Sohnes Shinji seine letzte Mission, die ihn zu diesem Zeitpunkt am Leben hielt. „Seine Unnachgiebigkeit war wie eine Peitsche aus hartnäckigster Liebe“, erinnerte Shinji sich.

Shinji Makamo brauchte sehr lange Zeit, bevor er ins normale Leben zurückkehren konnte. Überlebt hat er schließlich, weil sich in jeder weiteren Lebensstation ein „Engel“, ein „guter Samariter“ fand, Menschen, die sich um ihn kümmerten, obwohl sie selbst in ärmlichsten Verhältnissen lebten. Menschen, die Mitleid empfanden mit seinem Schicksal, und die ohne zu fragen halfen.

Als wüßte die Verfasserin von den Parallelen, die man beim Lesen des Buches sofort mit der gegenwärtigen schrecklichen Weltlage und der unmittelbaren Gefahr eines großen Krieges zieht, läßt sie den Leser nicht mit Weltuntergangsgedanken und Pessimismus stehen. Der Untertitel des Buches lautet: „Eine wahre Geschichte aus Hiroshima vom Überleben und Vergeben“.

Shinjis Lebenserfahrung war folgende: Das Gute und die Liebe zum Menschen sind der Weg zum Leben. Das Böse, Wut, Haß, Rache führen zu Zerstörung und Untergang. Den eigenen Schritt in die Zukunft zu tun, den Weg dorthin seinen Kindern zu vermitteln, war laut Akiko die Mission ihres Vaters: „Unsere Stadt war für immer verändert. Daran gab es keinen Zweifel. Aber ich sah nichts Gutes darin, sich an Feindseligkeit zu klammern, sich auf die Vergangenheit statt auf die Zukunft zu konzentrieren. Es würde nichts Gutes bringen, die eingeengte Sichtweise, die schwierige und harte Einstellung einzunehmen, die den Großteil der Welt in den Krieg hineingezogen hatte. Das waren die Scheuklappen, die den Konflikt befeuerten, nicht ihn beruhigten. Ich wollte nach vorne blicken. Ich wollte sehen, wie aus Feinden Freunde wurden. Ich wollte Frieden.“

Die Zukunft seiner Kinder wünschte sich Shinji Makamo so: „Ich wollte, daß sie in einer friedlichen Welt leben, in einer Welt, in der die verschiedenen Kulturen daran arbeiteten, einander kennen und verstehen zu lernen, in einer Welt, in der sie die Gräueltaten des Krieges niemals sehen oder kennenlernen würden. Ich wollte für meine Töchter mehr, als daß sie in dieser Welt nur lebten. Ich wollte, daß sie dabei halfen, diese Welt zu erschaffen.“

Und das tat Akiko. Sie ging in die USA, wo sie heute lebt, als klinische und medizinische Psychologin arbeitet und sich bei vielen Friedensaktivitäten engagiert.

Wie kann man selbst die menschliche Größe entwickeln, einem Menschen das Unrecht vergeben, das er uns zugefügt hat?

Akiko Mikamo, 8:15 Uhr: Eine wahre Geschichte aus Hiroshima vom Überleben und Vergeben, 2020, Amazon, ISBN: 9798668686685
Akiko Mikamo, 8:15 Uhr: Eine wahre Geschichte aus Hiroshima vom Überleben und Vergeben, 2020, Amazon, ISBN: 9798668686685

Ihr erster Punkt ist, jeder Mensch habe den freien Willen, sich zu entscheiden. Dem Menschen sei es aufgrund seiner höheren menschlichen Eigenschaft möglich, „eine Gelegenheit zum Haß in eine Gelegenheit zur Liebe zu verwandeln.“ Er könne dies willentlich tun.

Der zweite Punkt ist, die Bedeutung von Empathie (Friedrich Schiller prägte den Begriff „Empfindungsvermögen“) im Umgang mit Menschen zu verstehen. Ohne die Ansichten des anderen Menschen zu teilen, könne man sich trotzdem in den anderen hineinversetzen. Man könne die Dinge aus der Perspektive der anderen Person sehen und dabei dessen Erziehung, Kultur und Persönlichkeit einbeziehen, um zu verstehen, wie diese Person fühlen, denken, erleben könnte.

Ihr Fazit ist, die lebenslangen Fesseln von Wut, Verurteilung und Entzweiung könne man nur durch Einfühlungsvermögen und Vergebung lösen. Dies seien die einzigen Wege zu wahrer Heilung.

Ihre Version für die Welt ist, daß die Menschen auch durch das Lesen dieser Geschichte die universellen Vorstellungen von Vergebung und Empathie nachvollziehen und sie in ihrem Leben anwenden können.

Es ist ein unglaubliches Buch in einer unglaublichen Zeit, und man kann ihm nur die größtmögliche Verbreitung wünschen.

ull